Donaufestwochen: Pathos und Parodie für den geliebten Adonis

„Der geliebte Adonis“
„Der geliebte Adonis“(C) Donaufestwochen/ Reinhard-Winkler
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Jubel auf Schloss Greinburg für das tragikomische deutsche Barock-Singspiel „Der geliebte Adonis“ des fast vergessenen Reinhard Keiser. Das Euridice-Barockorchester bestand seine Feuertaufe.

Alle lieben Adonis: Eumene will deshalb ihren lästigen Verehrer Philistus abschütteln, Dryante macht sich ebenfalls Hoffnungen, und Venus will um seinetwillen sogar Mars den Laufpass geben. Wenn nun in Grein Marelize Gerber in der Rolle der Dryante als Seiltänzerin in ihrer ersten Arie über einem imaginären Abgrund balanciert, stimmt das verblüffend genau mit der Musik überein: Da klafft nämlich zwischen dem Hauptmotiv hoch oben in den unbegleiteten Violinen und dessen Wiederholung in Bassestiefen eine Generalpause. Von „munterer Freudigkeit“ reicht ein Schritt zum Absturz in den „Kummer der Sinnen“ – und tatsächlich ist es Dryante, die später als Zurückgewiesene mit dem gleichfalls eifersüchtigen Mars blutige Rache übt. Text, Musik und Darstellung einen Moment lang als echte Einheit: das oft verfehlte Ideal der Oper.

Die Theoretiker und Komponisten des 18. Jahrhunderts waren in Bezug auf Reinhard Keiser (1674–1739) noch einer Meinung: Er sei „in der Musik das größte Originalgenie“ gewesen, „das Deutschland jemals hervorgebracht“, „der größeste [sic!] Opern-Componist von der Welt“, der „manchen Ehrenkranz den Welschen abgerennet“. Ihm war es gelungen, in Hamburgs Gänsemarktoper einen deutschsprachigen Barockstil zu etablieren, der französische Einflüsse mit der venezianischen Schule verband: Noch ging es nicht allein um Vokalbravour, sondern um Unterhaltung quer durch alle Stände.

Elemente aus der Commedia dell'arte

Bald jedoch verblasste sein Ruhm, und sogar im Wiederentdeckungswettbewerb unserer Zeit rangiert Keiser weit abgeschlagen. Dabei lohnt es sich, seine einfallsreich-vergnüglichen Werke neu zu hören, zumal dann, wenn gerade die instrumentalen Reize einer seiner Partituren voll ausgekostet werden – wie nun bei den Donaufestwochen im Strudengau in „Der geliebte Adonis“ (1697): Unter der schwungvollen Leitung von Erich Traxler bestand das junge Euridice-Barockorchester der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz im Arkadenhof von Schloss Greinburg zauberflötengleich nicht nur seine Feuer-, sondern wetterbedingt durch ein Regentröpfel-Intermezzo auch seine Wasserprobe als Opernorchester tadellos. Arien, Duette, ein Terzett und sogar ein madrigaleskes Ensemble, sensible Textausdeutung sowie abwechslungsreiche Bläsersoli halten die Spannung aufrecht.

Mit relativ einfachen Mitteln (Ausstattung: Isabella Reder) spielt Regisseurin Manuela Kloibmüller mit Elementen von Zirkus und Commedia dell'arte. Das gerät nicht immer so logisch wie eingangs geschildert, glückt aber vor allem in der Schlüsselrolle des Spaßmachers Gelon. Der Tenor Markus Miesenberger agiert souverän: Mit Clownsnase und starker Mimik kommentiert er die Liebeskalamitäten in heiteren Strophenliedern und untermauert seine Pointen mit Draufgaben wie Jonglierkunststücken. Durch noblen Stimmklang sängerisch verbunden wirkt das zuletzt doch noch verkuppelte Paar Eumene (Anna Willerding) und Philistus (Ulrich Cordes); Maria Weiss stattet den coolen, eitlen Schwerenöter Adonis mit ebenmäßig schlanken Mezzosoprantönen aus, Michael Wagner poltert imposant die Basskoloraturen des Mars, und Venus Maria Weber darf ausdrucksvoll um den Toten trauern.

Reprisen: 12. bis 14. August, www.donau-festwochen.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2016)

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