Salzburg: Töne, so fein und stark wie ein Spinnennetz

Quatuor Ébène: Pierre Colombet, Gabriel Le Magadure, Adrien Boisseau, Raphaël Merlin.
Quatuor Ébène: Pierre Colombet, Gabriel Le Magadure, Adrien Boisseau, Raphaël Merlin.(c) Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
  • Drucken

Das Quatuor Ébène begeisterte bei den Salzburger Festspielen mit Haydn, Debussy und Beethoven.

Die Fäden eines Spinnennetzes sind tragfähig wie Stahl. Diese Assoziation stellt sich sofort ein angesichts des Klangzaubers, den das Quatuor Ébène am Dienstag im Mozarteum entfaltete. Fast wirkt es wie ein Experiment: Wie zart, wie fein, wie filigran kann ein Geigen-, Bratschen- oder Celloton sein? Ob ein Ton „groß“ ist, das zeigt sich ja nicht nur im Fortissimo, sondern auch darin, wie viel Substanz noch am Existenzminimum vorhanden ist, im gewagtesten Pianissimo. Es ist ein Spiel ohne doppelten Boden, aber mit dem tragfähigsten Netz, das sich denken lässt – gewoben von den so feinen wie belastbaren „Fäden“ der Kollegen. So wird schon Joseph Haydns innovatives Quartett C-Dur Opus 20/2 zum Ereignis. Die Spielweise des Ensembles setzt die vier Sätze unter eine nie versiegende Spannung, und durch die subtile Tongebung tritt das Raffinement der Komposition noch stärker hervor, etwa bei der hinterhältig ausgekosteten Scheinreprise im Kopfsatz. Die Musiker fassen die Partitur stark von der farblichen Seite auf, deutlicher als andere Ensembles, und vielleicht schon vom folgenden Debussy inspiriert.

Farbenrausch bei Debussy

Zum regelrechten Farbenrausch wird dann eben dieses leider einzige Streichquartett Debussys mit seinen vielen Hakenschlägen und Brüchen, bei gleichzeitiger thematischer Einheit. Mit nunmehr satterer Tongebung zeichnen die vier Musiker all die Wendungen ganz organisch nach, gleichzeitig introvertiert in das Werk versenkt und trotzdem hoch expressiv im Ausdruck.

Und dann erst Beethovens Opus 127: Schon die massigen Eingangsakkorde ein Statement, nicht nur vom Komponisten, auch von den Interpreten, in der Art, wie sie die liegenden Töne mit Leben erfüllen, an- und abschwellen lassen, umfärben, als wollten sie sagen: Hört her, was da alles drin liegt! Durch dosiertes Innehalten lenken sie in der Folge die Aufmerksamkeit unaufdringlich auf unerhörte Übergänge, ohne den musikalischen Fluss versiegen zu lassen. Und: immer wieder der delikate Farbauftrag. Wie die erste Violine im Trio des Scherzos mit ihren Girlanden die Schroffheiten kontrastiert, das ist pure, in die Zukunft weisende Klangmalerei. Eine kammermusikalische Sternstunde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.