Innsbrucker Festwochen: Alte Musik bleibt ein Abenteuer

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Konzert(c) Innsbrucker Festwochen
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Zum 40. Geburtstag wurde das Programm des Gründungskonzerts im Spanischen Saal des Schlosses Ambras abermals aufgeführt.

Eine Woche der Alten Musik war im August 1976 in Innsbruck angekündigt. Schon der Eröffnungsabend dieses Ablegers der Ambraser Schlosskonzerte versammelte aus heutiger Sicht einige der größten Stars der Szene, die damals als Dozenten der Innsbrucker Sommerakademie für Alte Musik in der Stadt weilten. Dem Mainstream der Klassikfreunde galten sie eher als Sonderlinge, die seltsames, vielfach vergessenes Repertoire mit seltsamen Mitteln aufführen wollten – nämlich möglichst so, wie es zur Entstehungszeit geklungen haben könnte: der als Contratenor ausgewiesene Belgier René Jacobs und sein Landsmann Wieland Kuijken an der Gambe, die niederländische Barockgeigerin Lucy van Dael, der Amerikaner Alan Curtis am Cembalo. Jacobs und der 2015 verstorbene Curtis sollten sich später zu zwei der wichtigsten Dirigenten der Originalklangbewegung entwickeln, van Dael gründete mit Frans Brüggen das Orchester des 18. Jahrhunderts und war lang dessen Konzertmeisterin, die Mitglieder der Musikerfamilie Kuijken formten u. a. La Petite Bande: Eine Saat ging auf. Forschung und Quellenstudium, Pioniergeist und Entdeckerfreude einten diese Musiker.

Vor sämtlichen Landesfürsten

Ohne es ahnen zu können, legten sie damals den Grundstein zu bisher 40 Jahren Geschichte der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, indem sie zusammen im prachtvollen Spanischen Saal des Schlosses Ambras musizierten – im Angesicht aller Tiroler Landesfürsten von Graf Albrecht I. bis zum Hausherrn Erzherzog Ferdinand II., deren Porträts die Wände zieren, vor einem neugierigen Publikum.

Mit demselben, etwas bunt zusammen gewürfelten Programm wie damals und am nämlichen Ort, natürlich in verjüngter Besetzung, feierten die Festwochen nun ihren Geburtstag – und wiesen dabei auch ungewollt nach, dass die Beschäftigung mit Alter Musik immer noch ein Abenteuer sein kann. „Oh dear!“, entfuhr es dem Countertenor Lawrence Zazzo, als es in der Schlussnummer von Caldaras anmutiger Kantate „Vicino a un rivoletto“ plötzlich knallte: Dem Gambisten Baldomero Barciela war eine Saite gerissen – ein Missgeschick, das sich später bei Händel wiederholte. Aber siehe da, Amandine Beyer, in dieser Arie eigentlich nicht beschäftigt, sprang ein und füllte die entstehenden hohen Löcher in der Gambenstimme auf der Violine aus: ein schönes Symbol für den kollegialen Musiziergeist, der über dem Abend schwebte und einen veranlasste, nicht jeden Ton auf die Goldwaage zu legen. Nach Bachs E-Dur-Sonate für Violine und Cembalo BWV 1016 sowie Couperins A-Dur-Suite für Gambe und Continuo, bei der Barciela neben der Cembalistin Anna Fontana etwas anämisch tönte, meldete sich Zazzo mit drei Händel-Arien (aus „Giulio Cesare“ und „Lotario“) zurück: Mit der gleichsam mitsingenden Beyer und Fontana verlieh er dem Abend mit Wendigkeit und ausgeglichenem Ton vokalen Glanz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2016)

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