Grafenegg-Festival: Der Mime als Ereignis

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Klaus Maria Brandauer prägte eine Aufführung von Beethovens „Egmont“-Musik. Die musikalische Seite überzeugte weniger.

Gegen Vorurteile ist schwer anzukämpfen. Soll man es dann einfach dabei bewenden lassen? Gewiss nicht. Um es an einem Beispiel zu zeigen: Ist Beethovens „Egmont“-Schauspielmusik tatsächlich so mittelmäßig, so uninteressant, dass es auch weiterhin genügt, nur ihre unbestritten meisterhafte Ouvertüre im Konzert aufzuführen?

Zahlreich sind die Versuche, diese für Goethes Drama geschriebene Schauspielmusik wenigstens für den Konzertsaal zu retten. Ein Staatsbeamter aus Meiningen, Friedrich Mosengeil, hat dafür einen Begleittext verfasst, später Grillparzer. Zuletzt Klaus Maria Brandauer, der seine Version beim Grafenegg-Festival im Wolkenturm auch gleich vorgetragen hat. Meisterhaft – was sich gleichermaßen auf die Darstellung des der Musik zugrunde liegenden Sujets wie seine Rezitationskunst bezieht. Ob man je „Freudvoll und leidvoll“ in einer so differenzierten, nuancenreichen Darstellung gehört hat?

Bei einer solchen Vorgabe hatte es die mit diesem Lied gleich nach ihm kommende Sängerin, die belgische Sopranistin Sophie Karthäuser, schwer. Selbst mit mehr Natürlichkeit des Ausdrucks und einer eloquenteren Phrasierung wäre ihr das kaum gelungen. Zu beiläufig deklamierte sie den Text. Unter den Erwartungen blieb auch das vom diesjährigen Grafenegger Conductor-Composer in Residence, Christian Jost, dirigierte Tonkünstler-Orchester Niederösterreich. Mangelte es an Proben? Konnte Jost den Musikern sein Konzept nicht genügend vermitteln? Wenn man schon für eine Ehrenrettung dieser Beethoven-Partitur angetreten war, hätte man sie präziser, feinnerviger modelliert, vor allem spannungsreicher präsentieren müssen. Schon der Ouvertüre fehlte es an Schwung, und vor allem an Dramatik.

Musikalische Reise in das Ich

Diese vermisste man auch in Josts an den Beginn dieses Abends gestellter, von ihm mit den Tonkünstlern realisierter „Cocoon Symphonie“: einem fünfteiligen Versuch, musikalisch eine Reise in das Ich darzustellen. Inspiriert von einer Welt, in der übertriebene Betriebsamkeit oft nicht mehr die Zeit lässt, sich auf das Eigentliche zu konzentrieren. Jost setzt dieses Thema durch sich bald im Nichts verlaufende Streicherpassagen, aus dem Hintergrund hereinbrechende Paukeneinwürfe und oft in unsicheren Ton gekleidete Bläsermotive um. Er lässt damit aber mehr Fragen offen, als Antworten zu geben. Vielleicht bewusst?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2016)

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