Rolando Villazón, auf Händen getragen

Rolando Villazón und Carrie-Ann Matheson
Rolando Villazón und Carrie-Ann Matheson© Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
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Der mexikanische Publikumsliebling gab bei den Salzburger Festspielen einen Abend mit Liedern unter anderem von Verdi und Rossini, einfühlsam begleitet von Carrie-Ann Matheson.

Es funktioniert noch immer: Rolando Villazón hat sein Publikum im Griff wie eh und je. Ein verschmitzt-verschwörerisches Zwinkern hier, ein gespielt ungelenkes Schlenkern mit den Beinen da, ein running gag mit einem Weinglas hier, eine Persiflage auf einen unglücklich Verliebten – und seine Salzburger liegen ihm Füßen. Diese Treue ist schön anzusehen und Rolando Villazón einfach der begnadetste musikalische Stimmungsaufheller, der sich denken lässt. Sein unerschütterlicher Humor schien am Freitag bei seinem zur Hälfte mit Verdi-Liedern bestrittenen Abend im „Haus für Mozart“ nicht zuletzt ihm selbst gut zu tun, als Motivations-Injektion.

Denn stimmlich lief es nicht gut. Villazón hatte sich als verkühlt ansagen lassen. Man darf also für diesen Abend der Erkältung ankreiden, dass der Schmelz und die Geschmeidigkeit seines Tenors, mit dem er als Nemorino einst sogar Anna Netrebkos Adina eroberte, kaum zu erahnen waren; dass die Stimme im Forte angestrengt, im Piano fast tonlos und rau und in der Höhe gequält klang; dass vor allem zu Begin bei den vier „Arie Antiche“ auch bei der Intonation einiges im Argen lag. Seine so berückenden Sprünge ins Piano sie wollten einfach nicht gelingen.

Vollkaskoversicherung

Doch immer, wenn Villazón an diesem Abend stimmlich in Seenot geriet, waren zwei helfende Hände da: Die kanadische Pianistin und Dirigentin Carrie-Ann Matheson war nichts weniger als seine Vollkaskoversicherung. Matheson trug ihren Tenor förmlich auf Händen, schien weniger zu reagieren, als vielmehr zu antizipieren, und wenn Villazón ihr am Ende intensiv die Hände küsste, dann war das wohl die wahrhaftigste Geste an diesem Abend. Eine einfühlsamere, verständigere Partnerin am Klavier hätte er nicht finden können, eine glückliche Fügung.

Bei allen stimmlichen Problemen, die ihn ja schon seit Jahren plagen: Villazón bleibt ein Bühnenmensch par excellence, der nicht bereit ist, weniger als ein Maximum an Emotion in jedes einzelne Lied zu legen, darin für einige Minuten völlig aufzugehen, koste es, was es wolle. Am berührendsten zeigte sich dies bei Verdis „L'esule“. Mit jeder Faser durchlebt er hier das Schicksal des ins Exil getriebenen, dem keine Rückkehr möglich ist. Dieser rückhaltlosen Expressivität kann kaum ein anderer Sänger das Wasser reichen, und das Publikum dankte es mit erst herzlichem dann geradezu stürmischem Applaus. Dennoch bleibt die Frage zurück: Warum tut sich dieser fantastische Musiker das an?

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