Rattles Mahler: Scharfkantig und schroff

Fordernd: Sir Simon Rattle, Chefdirigfent der Berliner Philharmoniker
Fordernd: Sir Simon Rattle, Chefdirigfent der Berliner Philharmoniker© Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
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Ein lautstarkes Gastspiel der Berliner Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen mit einer radikal "objektiv" gedeuteten 7. Mahler.

„Schwirrende Klangsplitter“ steht über der Bonsai-Einführung für Eilige, die dem eigentlichen Programmtext vorangestellt ist. Der Titel bezieht sich auf „Éclat“ von Pierre Boulez, das Eröffnungsstück beim Gastspiel der Berliner Philharmoniker und ihres Noch-Chefs Simon Rattle am Sonntag im Großen Salzburger Festspielhaus. Eigentlich.

Éclat, also Splitter: treffender hätte der heuer im Jänner verstorbene Wegbereiter der seriellen Musik sein Werk aus dem Jahr 1965 nicht nennen können. Das Stück, bestehend aus isolierten Farbtupfern, stellt das Einzelereignis über das Gesamte, allenfalls über kürzere Distanzen lassen sich Zusammenhänge konstruieren, um ein akustisches Puzzle handelt es sich also nicht. Ein originelles Instrumentarium aus 15 Solisten, darunter die Orchester-Exoten Zimbal, Mandoline und Gitarre, garantiert, einzeln eingesetzt und in den mannigfaltigsten Kombinationen, dass hier auf engem Raum ein großes Spektrum verdichtet wird, als eine Art Klangfarben-Etüde mit integriertem Einsatz-Training für Dirigenten. Vor 50 Jahren mag das radikal geklungen haben, heute wirkt es etwas in die Jahre gekommen.

Mikro-Management statt große Bögen

Danach hat Rattle Mahlers 7. Symphonie aufs Programm gesetzt – und die Kluft zwischen den beiden Stücken, respektive der Interpretation, fiel deutlich geringer aus, als man das erwarten würde. Denn auch bei dieser wohl auch wegen ihres optimistischen Finales gerne gespielten Symphonie verlegte sich Rattle eher aufs Mikro-Management. Damit, große Spannungsbögen zu schlagen, eine die Sätze aneinander schmiedende Dramaturgie aufzubauen, damit hielt sich Rattle weniger auf. Selbst innerhalb der Sätze fehlte oft der innere Zusammenhang, was vor allem auch auf Kosten der Doppelbödigkeiten ging, mit denen auch dieses – O-Ton des Komponisten – Werk „vorwiegend heiteren Charakters“ geimpft ist. Dass bei Mahler oft etwas gleichzeitig mit seinem Gegenteil wahr sein kann, das war an diesem Abend kaum zu spüren.

Rattle beschäftigt sich seit langem immer wieder mit Mahler, und sein Ansatz wurde über die Jahre härter, schroffer, das Klangbild ist heute scharfkantig wie Dachsteinkalk. Alles Süßliche scheint ihm ebenso verdächtig wie zwischen den (Noten)Zeilen Angedeutetes. Man könnte es eine radikal objektive Sichtweise nennen, die (abgesehen von der etwas statisch geratenen Einleitung zum ersten Satz) auf eher zügige Tempi setzte, für die beiden Nachtmusiken wohl zu zügig. Freilich, die vielen einzelnen Elemente waren höchst luxuriös: Ein Andreas Ottensamer an der Klarinette oder ein Emmanuel Pahud an der Flöte schleifen noch jede Solostelle zu einem Edelstein. Auch das Blech war über weite Strecken bestens disponiert, wenn auch die von Rattle geforderte gleißende Schärfe manche exponierten Blech-Passagen wie Fremdkörper wirken ließ. Nein, um einen differenziert abgemischten Klang ging es hier nicht, schon eher um schiere Überwältigung qua Volumen. „Schwirrende Klangsplitter“, das taugte durchaus auch als Motte für den ganzen Aben.

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