Robert Schumann: Missbrauchte Romantik

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Als Schumann der Anti-Mendelssohn sein sollte.

Auf die Frage, wie viele Violinkonzerte Robert Schumann komponiert hat, entgegnet der durchschnittlich bewanderte Musikfreund wohl mit Achselzucken. Wahrscheinlich gar keines, mutmaßt er, denn neben dem viel gespielten Klavierkonzert wird nur hie und da das Cellokonzert aufgeführt. Blühend schöne Beispiele für den Stil der deutschen Romantik sind beide. Aber ein Violinkonzert? In der jüngeren Vergangenheit bemühten sich Geiger wie Gidon Kremer und Dirigenten wie Christian Thielemann um das nachgelassene Violinkonzert, das als Werk „ohne Opuszahl“ Nummer eins in die Schumann-Verzeichnisse Eingang gefunden hat, bei dem aber die Interpreten schon hinsichtlich der Tempofragen völlig uneins sind. Eine wirkungsvolle Aufführung hat es von diesem zu Lebzeiten Schumanns nie gespielten Stück kaum je gegeben. Nach Schumanns traurigem Ende in einer psy­chia­trischen Anstalt schwieg die Nachwelt verschämt darüber. Dann kam jedoch der Nationalsozialismus, der bemüht war, Ersatz für das beliebte Mendelssohn-Konzert zu finden, das den perversen Rassegesetzen zufolge nicht mehr gespielt werden sollte. Da kam die Wiederentdeckung des Schumann-Manuskripts, das Witwe Clara bewusst unterdrückt hatte, gerade recht. Man inszenierte eine propagandistisch groß ausgeschlachtete „Uraufführung“ mit Georg Kulenkampff und Karl Böhm, doch diesen hochmögenden Exegeten zum Trotz erwies sich das Werk, das zu „dem“ deutschen Violinkonzert der Romantik „aufgebaut“ werden sollte, als Rohrkrepierer. Der Livemitschnitt vom November 1937 hat sich erhalten und wurde nun auf CD veröffentlicht: Dokument eines historischen Fehlversuchs, von Herausgeber Wolfgang Wendel mit einem faszinierenden Beiheft versehen, in dem Musikologen alles Wissenswerte über das musikhistorische Kuriosum gesammelt haben.

1937, 1987: zwei „Uraufführungen“ von Schumann-Violinkonzerten.
1937, 1987: zwei „Uraufführungen“ von Schumann-Violinkonzerten.(c) Beigestellt

Noch ein Violinkonzert. Hinzu kommt – wohl zur völligen Verblüffung der Klassikfreunde – ein zweites Schumann-Violinkonzert: eine originale Bearbeitung des Cellokonzerts, von dessen „Uraufführung“, 1987, durch den Geiger Saschko Gawriloff sich auch ein Tondokument erhalten hat. Es füllt den Platz auf der CD großzügig aus und ergänzt das Hörvergnügen, das letztlich doch ahnen lässt, dass es sich lohnen könnte, Schumanns Violinkonzerten durch bedeutende Interpreten „nachspüren“ zu lassen; wenn auch die Verve und natürliche Schönheit des Mendelssohn’schen e-Moll-Werks konkurrenzlos bleiben wird: Zwei hübsche Schwesterstücke sind zu entdecken – und einige historische Fakten zu lernen. (Podium)

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