"Aus langer Weile eine Arie componirt" - 225 Jahre Zauberflöte

Autograph der Zauberflöte
Autograph der Zauberflöte(c) APA (STaatsbibliothek Berlin)
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Was passiert, wenn zwei Bühnengenies aufeinandertreffen: Am 30. September 1791 feierte die Zauberflöte von Mozart und Schikaneder im Wiener Freihaus-Theater ihre Uraufführung. Die Geburt eines Welterfolgs.

Alles wäre so einfach gewesen, theoretisch. Der Musiker, der das Glockenspiel bediente, hätte nur spielen müssen, was der Komponist geschrieben hatte. Doch der Musiker war der Komponist, ausnahmsweise, an diesem Abend Anfang Oktober 1791. Und Wolfgang Amadeus Mozart war fest entschlossen, Theaterdirektor Emanuel Schikaneder, der seinen Lieblingsschauspieler Emanuel Schikaneder in der Rolle des Papageno besetzt hatte, einen Streich zu spielen: "Nun gieng ich auf das Theater bey der Arie des Papageno mit dem Glocken Spiel, weil ich heute so einen Trieb fühlte es selbst zu spielen. -- Da machte ich nun den Spaß, so Schickaneder einmal eine Haltung hat, so machte ich ein arpegio -- der erschrak -- schaute in die Scene und sah mich -- nun hielt er, und wollte gar nicht mehr weiter -- ich errieth seinen Gedanken, und machte wieder einen accord -- dan schlug er auf das Glockenspiel und sagte halts Maul -- alles lachte dann."

Es war der Humor eines Todkranken. Um Mozarts körperliche Verfassung stand es bereits schlecht, auch wenn seine Briefe an sein "liebstes, bestes Weibchen" Konstanze, die - zum Glück für die Nachwelt, nur deshalb gibt es die Briefe aus dieser Zeit - wieder einmal zur Kur in Baden weilte, weiter vor Witz und Lebenshunger sprühten.

"Die Oper war eben so voll wie allzeit"

Zur Verbesserung seines Gemütszustandes trug wohl wesentlich der Erfolg bei, den er mit dem Herzensprojekt "Zauberflöte" errungen hatte. Am 30. September (nach "La Clemenza di Tito" bereits seine zweite Opern-Uraufführung in nur einem Monat!) hatte sie am Wiener Freihaus-Theater auf der Wieden, quasi beim heutigen Naschmarkt, unter der Leitung des Komponisten die - zwar nicht umjubelte, aber doch akklamierte - Premiere gefeiert und war seither auf gutem Kurs: "Eben komme ich von der Oper; -- Sie war eben so voll wie allzeit. -- Man sieht recht wie sehr und immer mehr diese Oper steigt." Auch Antonio Salieri, Leiter der Wiener Hofmusikkapelle, zeigte sich Mozart zufolge äußerst angetan, das Verhältnis der beiden war keineswegs so schlecht, wie es spätere Verschwörungstheoretiker gerne gehabt hätten.

Wie man sich Mozarts und Schikaneders Arbeit an der Zauberflöte so vorstellte
Wie man sich Mozarts und Schikaneders Arbeit an der Zauberflöte so vorstellte(c) imago/United Archives International (imago stock&people)

Die Zauberflöte war auch als kalkulierter Publikumserfolg kreiert worden, von Mozart, dessen finanzielle Lage aus den unterschiedlichsten Gründen klamm war, vor allem aber auch von Impresario und Tausendsassa Schikaneder. Der Vollblut-Theatermensch, der vom Hanswurst bis zum Hamlet alles spielte, und zeitgenössischen Quellen zufolge auch noch alles gleich überzeugend spielen konnte, wusste genau, wie man das Publikum packt: Nach Goethes Motto "Drum schonet mir Prospekte nicht und nicht Maschinen" bot er an Bühnenbild und Effekten alles auf, was ihm zur Verfügung stand, mit Donner und Blitz, Tieren, und ließ sogar - im Zeichen grassierender Ballon-Begeisterung - die drei Knaben tatsächlich herbeischweben, wie es sein Libretto auch fordert.

Die rechte Mischung für ein Erfolgsstück

Dazu ein fescher junger Prinz, eine zwischen liebender Mutter und rasendem Racheengel changierende "Königin der Nacht", eine so liebreizende wie toughe Prinzessin, ein Vogelmensch, mit dem sich das Publikum leicht identifizieren konnte, da er sich vor allem für Speis und Trank interessierte, und - heute politisch höchst inkorrekt - ein sinistrer Mohr als Bösewicht: kurzum, diese "Zauberflöte" hatte die rechte Mischung für ein Erfolgsstück.

Doch sie hatte noch viel mehr, um diesen Erfolg auch zu verstetigen und sie über die reine Zauberoper weit hinauszuheben: Schikaneder und Mozart, beide Freimaurer (wobei Schikaneder wegen seiner eingeschränkten Neigung zu ehelicher Treue bei diesen rasch in Ungnade fiel) reicherten das Stück mit Freimaurer-Symbolik und -Gedankengut sowie antiken Mysterien an. Und so bietet diese Oper Regisseuren und Wissenschaftlern bis heute mannigfaltige Ansätze zur Interpretation: "Die Zauberflöte ist in meinen Augen keine Schlüsseloper, allenfalls eine ,emblematische Standortbestimmung' der Freimaurerei zwischen Aufklärung und Romantik, schreibt etwa der Ägyptologe und Zauberflöten-Sezierer Jan Assmann.

Theaterzettel zur Uraufführung
Theaterzettel zur Uraufführung(c) imago/United Archives International (imago stock&people)

Doch wie kam es überhaupt zu dieser Komplizenschaft zweier Theatergenies, das eine, Mozart, Sohn eines angesehenen Musikers, das andere, Schikaneder, Sohn eines Dienstboten-Ehepaars und eigentlich auf Johann Joseph Schickeneder getauft? Ein erster Kontakt lässt sich für 1780 in Salzburg nachweisen. Mozart (*1756) war längst dem Wunderkind-Zirkus entwachsen, hatte aber seine großen Operntriumphe noch vor sich; Schikaneder (*1751), der als Musikant für Hochzeiten und andere Gelegenheiten begonnen hatte, war mittlerweile Chef einer fahrenden Theatertruppe, also immer noch ambulant. In der Wintersaison 1780/81 gastierte die Truppe samt Schikaneders Ehefrau Eleonore, die dem Gatten in Sachen Seitensprung dem Vernehmen nach ebenbürtig war, in Salzburg.

Zurück zur Gattin, samt Theater

Man lernte sich kennen, man freundete sich an, zu engeren Zusammenarbeit kam es aber vorerst nicht. In den folgenden Jahren gab Mozart einem so ganz anders gestrickten Librettisten den Vorzug, und revolutionierte mit diesem das Musiktheater: Lorenzo da Ponte. Doch man verfolgte den Lebens- und Schaffensweg des anderen weiter, und als Schikaneder in der Winterspielzeit 1784 kurzfristig das Wiener Kärntnertortheater leitete, eröffnete er die Saison mit Mozarts "Entführung aus dem Serail", die er auch später in Regensburg aufs Programm setzte.

Mit Eleonore war zwischenzeitlich Schluss, diese hatte ihren Emanuel gegen Johann Friedel, ebenfalls Schauspieler und für einige Jahre Leiter des Theaters auf der Wieden, eingetauscht. Als Friedel 1789 starb, kehrte der auf eine Rückkehr nach Wien spitzende Schikaneder nicht nur zu seiner Ehefrau zurück, sondern übernahm auch gleich das Wiedner Freihaus-Theater in Nachfolge  seines toten Rivalen.

Und hier gibt es wieder einen direkten Anknüpfungspunkt zu Mozart: Seine Schwägerin Josepha Hofer, gefeierte Sopranistin mit Hang zum gesanglichen Höhenbergsteigen, war Mitglied im Ensemble auf der Wieden. Hofer war denn auch als Königin der Nacht eine wesentliche Stütze der Zauberflöten-Uraufführung, und dass Mozart ihr diese zwei halsbrecherischen Arien auf die Gurgel schrieb, sagt einiges über ihre Gesangskünste aus (oder über seine Bosheit). Auch in anderen Rollen waren ausgesuchte Kräfte am Werk: Mozarts Schülerin Anna Gottlieb sang etwa die Pamina, der hoch geschätzte Tenor (und versierte Flötist!) Benedikt Schack, verkörperte den Tamino, Franz Xaver Gerl, für den Mozart bereits komponiert hatte, den Sarastro.

Adrian Eröd als Papageno im Theater an der Wien 2006. Bei der Uraufführung spielte Schikaneder selbst die Rolle
Adrian Eröd als Papageno im Theater an der Wien 2006. Bei der Uraufführung spielte Schikaneder selbst die Rolle(c) APA (Herbert Pfarrhofer)

Dass die Zauberflöte eine Reaktion auf die "Die Zauberzither" von Joachim Perinet (Text) und Wenzel Müller (Musik) war, die damals am Leopoldstädter Theater Furore machte, ist übrigens schwer möglich: Als dieses Stück im Juni 1791 Premiere hatte, waren Mozart und Schikaneder bereits mitten in der Arbeit an ihrer Oper, auch wenn diese anscheinend nicht immer mit dem größten Nachdruck erfolgte: "Aus lauter langer Weile habe ich heute von der Oper eine Arie componirt", schrieb er am 11. Juni seiner Konstanze nach Baden. Und erst am 28. September, also zwei Tage vor der Uraufführung, wurden die letzten Nummern fertig.

Ans andere Ufer

Den großen Siegeszug des Werkes hat Mozart nicht mehr miterlebt. Er starb am 5. Dezember 1791, Schikaneder kümmerte sich um die Organisation der Trauerfeier fünf Tage später in der Michaelerkirche. Und als das Freihaus-Theater 1801 seine Pforten schloss und Schikaneder aufs andere Ufer wechselte (des Wien-Flusses), nahm er den Publikumsmagneten ins Theater an der Wien mit. Es sollte sein größter Erfolg bleiben. Von da an ging es künstlerisch bergab, und Schikaneder starb 1812 arm und in geistiger Umnachtung.

Am 225. Jahrestag der Zauberflöten-Uraufführung findet im Wiener Raimundtheater die Uraufführung des Musicals "Schikaneder" statt, das sich dem wechselvollen Leben des Vollblut-Theatermenschen widmet.

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