Musikverein: Sowjetjazz und Tiroler Klänge

(c) Clemens Fabry
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Das Ensemble Kontrapunkte präsentierte zum Auftakt seines 42. Zyklus ein herausforderndes Programm.

Dmitri Schostakowitsch fand seinen eigenen Zugang zum Jazz. Er mischte Elemente der jüdischen und der Folkloremusik unter, wie sich in seiner ersten Suite für Jazzorchester zeigt. Diese war am Montagabend in Wien zu hören und entfaltete ihren intendierten musikalischen Witz, hervorgerufen etwa durch den fast durchgängigen Offbeat des Banjo, in der Polka. Gar unterdrücktes Glucksen riefen die Glissandi der Hawaii-Gitarre im dritten Satz, dem Foxtrott, hervor.

Nach so viel Heiterkeit ein ernsterer Stoff, Kafkas fiebrige Traumerzählung „Der Landarzt“. Adrian Eröd sang mit seinem wohlklingenden Bariton bravourös den Titelhelden der einaktigen Oper von Hans Werner Henze, akzentuiert von rhythmisierten Klangclustern des Orchesters. Seine Interpretation wechselte mühelos vom nahezu erstickten Sprechgesang des todgeweihten Jungen hin zu kraftvollen, intensiven Ausbrüchen des festgehaltenen Arztes. Auch komödiantische Qualitäten ließ Eröd in der Rolle des süßlich säuselnden Dienstmädchens durchblicken.

„Soirée tyrolienne“ samt Axt

„Unheimlich“ lustig klang die „Soirée tyrolienne“ von Werner Pirchner. Unter anderem mag das der ungewöhnlichen Instrumentierung geschuldet sein. Neben jodelnden Ausrufen der Musiker wurden eine Axt und ein Hackstock sowie die Klappen der Bläser als perkussive Elemente herangezogen. Der Trompeter, tapfere Jodler und Holzhacker erschien in Lederhosen und weißen Stutzen und erntete auch dafür Applaus. Witzig die Bezüge, die nicht nur die Überschriften Pirchners über die einzelnen Sätze herstellen. Unweigerlich überraschte der zweite Satz, „Prima Vista – Pazifista“, mit kubanischen Rhythmen. Im „ersten dritten Satz“, der Marimba sei Dank, wurden gar Südseeklänge herangespült.

Peter Keuschnig, Gründer und Dirigent des Ensembles Kontrapunkte, präsentierte bei dieser Gelegenheit stolz seine „völlig zerfledderte“ Kopie der originalen Partitur, die ihm wohl schon 1984 bei der Uraufführung im selben Haus gute Dienste erwiesen hatte. Die Wahl des dritten ersten Satzes zur Zugabe erfolgte selbstverständlich gemeinschaftlich. Dass diese, so Keuschnig, „katastrophal“ zu spielen sei, ließ die hervorragende Leistung des Ensembles nicht im Traum vermuten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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