Ein 3800 Jahre altes Trinklied bei Wien modern

(c) Wiener Konzerthaus
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Das A-cappella-Ensemble Company of Music sang im Wiener Konzerthaus.

Aus des Basses Tiefen erhebt sich dunkler Klang, mit wachsender Tonhöhe hellen sich die Vokale auf, in den Tenören entwickelt sich eine Kantilene, doch bald pfeift und schnattert es auch in wachsender Erregung: Ninkasi, der sumerischen Göttin des Bieres oder überhaupt des Alkohols, soll da gehuldigt werden – obwohl der Komponist Bernd Richard Deutsch den Text des 3800 Jahre alten Trinklieds in seine Einzelteile zerpflückt und als rein phonetisches Material verwendet.

Er nützt es freilich, um klanglich doch wieder den Eindruck einer angeheiterten Menge zu wecken, die sich in mehreren Wellen ekstatisch aufschaukelt. Und immer wenn man glauben konnte, nun würde die Musik bei einem griffigen Motiv einhaken und es zu einem Ostinato machen, purzelt schon der nächste Einfall daher: Deutsch bleibt der fantasievoll-fantastischen Unberechenbarkeit treu, die seine Werke so anregend macht, ohne dass diese an einer Überfülle von Ideen krankten und eine konzise Linie vermissen ließen. Es gibt sie, nur verläuft sie origineller, als man aufs Erste annehmen würde. Ein Stück, in Zungen redend oder lallend, je nach Hörwinkel: „Lingua“ heißt die Novität für 16 Stimmen, die nun im Mozartsaal des Konzerthauses bejubelt wurde – als Finale eines kompakten und doch reichhaltigen Abends mit dem A-cappella-Ensemble Company of Music unter Johannes Hiemetsberger.

Bearbeitete Lieder Gustav Mahlers

Räusche und Katerstimmungen, ob nun durch Liebe oder Genussmittel hervorgerufen, zogen sich durch das mit „Adieu“ überschriebene Programm. Die 400 Jahre alten Schmerzenstöne von Monteverdis „Lamento d'Arianna“ (in der fünfstimmigen Madrigalversion) wirken wie eh und je – und in den erstaunlichen 16-stimmigen Gottwald-Bearbeitungen von Liedern Mahlers erübrigt sich jede Klavierbegleitung, auch wenn die Textierung den Klang manchmal allzu konkret werden lässt.

Ein pittoreskes Notturno breitet dagegen Kaija Saariaho in „Nuits, adieux“ aus. In der reinen Vokalversion lässt sie die elektronischen Verfremdungseffekte der Erstfassung mit Gewinn sängerisch imitieren: Virtuos, wie die großartige Company of Music da auch munkelt und gurrt, zischt und hechelt. Die musikalische Qualität des Ganzen entschädigte dafür, dass die Fleißaufgabe diesmal nicht recht glücken wollte – nämlich die herkömmliche Chorkonzertsituation in Richtung Theater zu rücken und die Stücke durch eingefügte szenische Rezitative durchkomponiert erscheinen zu lassen. Es war entweder zu wenig oder zu viel, schmälerte aber nicht das Interesse an der Fortsetzung des Company-Zyklus: „Bach“ (1. 3.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2016)

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