Macbeth: Verdi wollte nicht nur Schöngesang

Plácido Domingo (rechts) singt im von de Billy dirigierten „Macbeth“ am 13. 11. die Titelpartie.
Plácido Domingo (rechts) singt im von de Billy dirigierten „Macbeth“ am 13. 11. die Titelpartie.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Bertrand de Billy bleibt Wien treu, ist an der Wien den Facetten des Bösen in der Shakespeare-Oper „Macbeth“ auf der Spur und hat Pläne für Paris, London und New York.

„Mir geht es hervorragend“, sagt Bertrand de Billy, befragt nach seinen künstlerischen Plänen. Seit seinem Abgang vom RSO Wien und dem Verzicht auf weitere Engagements an der Wiener Staatsoper pendelt der Dirigent zwischen wichtigen Opernhäusern in Paris, London und demnächst auch wieder New York. Und er kommt auch Wien nicht abhanden.

„Ich bin heute in der glücklichen Lage“, sagt er, „Intendanten Projekte anbieten zu können, nicht nur viel Angebote zu bekommen, sondern auch welche ablehnen zu können. Der größte Luxus ist es ja, Nein sagen zu dürfen. Das ist eine Form von Freiheit.“

Ja sagt er weiterhin zu Wien, er arbeitet (nicht nur in den Konzertsälen) konsequent mit den Wiener Symphonikern zusammen, kommt demnächst mit dem exzellenten Kammerorchester von Lausanne, dessen Gastdirigent er seit drei Jahren ist, in den Musikverein – und dirigiert regelmäßig Opern im Theater an der Wien.

Eben hat er Verdis „Macbeth“ einstudiert, in einer viel diskutierten Doppelfassung, die in einer Inszenierung von Hausherr Roland Geyer dem Publikumsliebling Plácido Domingo die Chance gibt, sich in einer weiteren Partie in dieser Stadt vorzustellen: Er wird (am 13. November) den Titelhelden zwar ebenso wie sein Kollege Roberto Frontali anlässlich der Premiere (11. November) in der zweiten Fassung singen, die Verdi zwei Jahrzehnte nach der Uraufführung für Paris hergestellt hat, aber in einem Arrangement, das den ursprünglichen Schluss der Oper restituiert.

Verdis Wahrheit(en) auf der Spur

Der in solchen Urtextfragen bekannt penible Bertrand de Billy hat in diesem Fall kein Problem mit der eigenwilligen Melange aus zwei Versionen, nicht nur aus Respekt vor dem Opernurgestein Domingo, mit dem er seit Beginn seiner Karriere viel zusammengearbeitet hat: „Wir knüpfen da im Theater an der Wien interessanterweise ja auch an die große Verdi-Gala an, die wir 2001 gemacht haben, um einmal die seltener gespielten Juwelen aus seinem Schaffen zu präsentieren. Da war dieser ursprüngliche ,Macbeth‘-Schluss schon dabei!“

Im Übrigen sei es „spannend, die beiden Lebensstadien Verdis miteinander zu konfrontieren. Was er in Paris nachkomponiert hat, weist schon den Weg zu ,Don Carlos‘, aber bereits die frühe Partitur hat eminenten Sprengstoff in sich. Während der Arbeit mit den Symphonikern, die wunderbar konzentriert und mit Feuereifer bei der Sache sind, haben wir oft Spuren freigelegt, die zu späteren Meisterwerken führen, hier die ,Traviata‘, da ,Don Carlos‘, ,Falstaff‘ sogar! Vieles ist im Keim schon enthalten, wobei sich auch Anleihen bei großen Vorgängern finden: Ein Zitat von Donizettis ,Anna Bolena‘ ist zum Beispiel ziemlich gut auszumachen.“

Vor allem fesselt Bertrand de Billy in „Macbeth“ die Radikalität des jungen Verdi, die, wie der Dirigent meint, so ungeschminkt nie wieder ans Licht kommen wird: „Der Komponist sagt ja in seinen Briefen ganz offen, er wünsche sich passagenweise alles andere als Schöngesang. Parlando, Sprechgesang, erstickte Stimmen.“ Es ist gar nicht so einfach, Sänger anzuspornen, solche Extremwerte des vokalen Ausdrucksregisters anzusteuern.

Parallelen zu Mozart und Gluck

In der Zweitfassung hat Verdi, so de Billy, „jedenfalls den weiblichen Anteil vergrößert, die Hexenszenen ebenso aufgewertet wie die Auftritte der Lady, die ursprünglich noch nicht so stark im Fokus steht.“ So habe das Stück einige zukunftsweisende Komponenten – wie beispielsweise bei Mozart der „Idomeneo“ oder die „Clemenza di Tito“ –, sagt der Maestro, der sich auch mit Mozarts großem Zeitgenossen Christoph Willibald Gluck und dessen Opernreformen ausgiebig befasst. Demnächst dirigiert er, der sich über die Errungenschaften der Originalklangbewegung ziemlich genau informiert, an der Pariser Oper „Iphigenie en Tauride“: „Das ist eine Wiederaufnahme einer älteren Produktion, die bisher nur von Originalklangensembles gespielt wurde. Ich studiere sie jetzt erstmals mit dem Orchester der Pariser Oper ein – und wir werden natürlich versuchen, auf den modernen Instrumenten stilistisch adäquat zu musizieren.“ Solche Brückenschläge faszinieren den Dirigenten: „Bei Gluck ist ja in manchen Momenten Berlioz schon zu ahnen, und außerdem“, ergänzt er mit verschmitztem Verweis auf die vorletzte Produktion im Theater an der Wien, „kommt die Iphigenie ja sogar im ,Capriccio‘ von Richard Strauss vor . . .“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)

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