Zauberhorn, Trauerfanfare mit dem Concertgebouw

FOTOTERMIN - MUSIKVEREIN MIT NEUER ORGEL
FOTOTERMIN - MUSIKVEREIN MIT NEUER ORGELAPA/GEORG HOCHMUTH
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Semyon Bychkov dirigierte im Musikverein Weber mit Studierenden – und eine klangsatt-fulminante Fünfte Mahler.

Gleich zu Beginn das Zauberhorn des Elfenkönigs in Carl Maria von Webers „Oberon“-Ouvertüre, nach der Pause die schneidende Trauermarschfanfare der Trompete, die in Gustav Mahlers 5. Symphonie alle Kräfte der Finsternis herbeibefiehlt – und dazwischen das Klavierkonzert Es-Dur KV 482, in dem Hörner, Fagotte und Klarinetten dem festlichen Eröffnungsmotiv in lyrischem Schimmer antworten: Allein die Werkanfänge dieses Abends rückten die famosen Bläsersolisten des Königlichen Concertgebouworchesters Amsterdam ins beste Licht, das unter Semyon Bychkov freilich in allen Gruppen seinem Ruf als einem der besten Klangkörper der Welt wieder alle Ehre machte.

Dabei spielten beim „Oberon“ auch Studierende der Wiener Musikuniversität mit: Im Projekt „Side by Side“ holen sich die Amsterdamer 2016 bis 2018 bei Konzerten in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten jeweils Mitglieder eines örtlichen Nachwuchsorchesters auf die Bühne, hier des Webern-Symphonieorchesters. Nun ist Bychkov ein grandioser Musiker, aber kein fanatischer Anhänger der Originalklangbewegung. Was die arrivierten und die aspirierenden Profis da gemeinsam übten, war demnach mit langem Atem geformte Phrasierung in romantisch gesättigtem, aber dennoch nicht schwerfälligem Klang. Schwebende Streicherkantilenen, runde, aber doch knackige Posaunenakkorde, Balance in fast jedem Detail: Hüons schwärmerischer Gesang in der dunkel tönenden Klarinette, Rezias Jubelrufe der Violinen, sie formten sich zum orchestralen Rittermärchen mit Patina.

Apropos Klarinette: Im genannten Klavierkonzert verzichtet Mozart auf Oboen und rückt dafür seine geliebten Klarinetten im komplexen Wechselspiel mit den restlichen Bläsern, den Streichern und dem Solisten ins Rampenlicht. Emanuel Ax hat das Werk in Österreich zuletzt im Sommer bei den Salzburger Festspielen gespielt – in einer Matinee der Wiener Philharmoniker, die von einem Stromausfall überschattet war. Vielleicht lag es mit an dieser Panne, dass die Aufführung damals enttäuschte, zumal sich auch Mariss Jansons auf großzügige Verwaltung des philharmonischen Schönklangs zurückzuziehen schien.


Perlende Noblesse. Im Musikverein war nun unter Bychkov, der für Mozart einen schlankeren Ton anstrebte, ein viel stärkerer interpretatorischer Zugriff zu spüren – und der Teamplayer Ax nahm die orchestralen Bälle vergnügt auf, um sie mit perlender Noblesse zurückzuspielen. Schwärmerisch tönten das dunkle Andante und der Andantino-Einschub im Finale, nach dem Ax das Rondothema wie auf Samtpfoten wiederkehren ließ und in seiner eigenen Kadenz wieder Flöte und Fagott miteinbezog.

Mahlers Fünfte schließlich profitierte von Bychkovs Fähigkeit, mit großer Übersicht Höhepunkte wie Höhenstrecken aufzubauen. Da er Steigerungen eher im Gewicht der Formulierung als im äußeren Tempo sucht, wirkt das typisch Mahler'sche Zerfleddern der Strukturen bei ihm verstörender, quälender als in manch hurtigeren Lesarten – wobei die Kräftigung paralleler Unterstimmen viele Details plastisch erscheinen lässt. Einzig das schwierig auf Zug zu haltende Scherzo zerfiel ein bisschen, und auf den allerletzten Presto-Metern des Finales hätte man sich noch explodierende Reserven gewünscht. Dennoch: eine durch Präzision und emotionalen Nachdruck großartige, laut bejubelte Deutung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2016)

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