„Welches Konzert spielen wir?“ Geburtstag eines Allrounders

Rudolf Buchbinder bei der Eroeffnung der Sommernachtsgala 2016 auf der Buehne des Wolkenturms Grafe
Rudolf Buchbinder bei der Eroeffnung der Sommernachtsgala 2016 auf der Buehne des Wolkenturms Grafeimago/Future Image
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Am Donnerstag feiert der ewig jugendliche Pianist Rudolf Buchbinder seinen Siebziger – und spielt und spielt, wie könnte es anders sein?

Dass Rudolf Buchbinder allgegenwärtig im Wiener Musikleben ist, daran hat man sich schon gewöhnt. Dass er so oft auftritt wie dieser Tage, ist aber selbst für ihn ungewöhnlich. Aber typisch. Denn er feiert am 1. Dezember seinen Siebziger, und das tut er selbstverständlich nicht (nur) daheim in trautem Familienkreis, sondern mit seinem Publikum.

Faul war er nie. Es ist gewiss ein Unikum in der Interpretationsgeschichte, dass es ein Pianist auf mehr als 50 Durchläufe des gesamten Beethoven-Sonatenzyklus bringt. Wobei im Vorjahr die Nummer 50 selbstverständlich dem Wiener Musikverein reserviert geblieben ist. So etwas geht sich bei diesem so genau kalkulierenden Künstler natürlich präzis aus. Es gibt wahrscheinlich wenige Musiker, die über einen dermaßen ausgereiften Ordnungssinn verfügen.

Wer Buchbinder fragt, ob er sich erinnern könne, wann er etwa zum ersten Mal ein bestimmtes Werk gespielt hätte, muss bestenfalls zwei Minuten warten – und auch das nur dann, wenn er ihn im falschen Stockwerk des Hauses trifft: Dort, wo die Mappen mit den Konzertprogrammen stehen, hat man die Antwort in ein paar Sekunden.

Und die einschlägige Dokumentenreihe ist lang. Denn die Karriere begann im zartesten Alter. Der kleine Rudi war der jüngste Student, der je in die Wiener Musikakademie, die heutige Musikuniversität, aufgenommen wurde. Und er war nicht nur das Nesthäkchen in der Vorbereitungsklasse von Marianne Lauda, sondern bald auch der neidisch beäugte Alleskönner in der Talenteschmiede von Bruno Seidlhofer. Später einmal wird er, als er als Einspringer in letzter Sekunde zu einem philharmonischen Mozart-Konzert nach Salzburg gerufen wird, vor der Anspielprobe fragen: „Welches Konzert spielen wir eigentlich?“ Er hat alle drauf.

Fixe Fingersätze sind verpönt

Angesichts des verblüffenden Talents des jungen Pianisten ahnte die Öffentlichkeit bald, dass hier wohl ein Vorzeigeösterreicher heranwuchs. Niemand Geringerer als Bundeskanzler Julius Raab wurde zum Firmpaten und Financier privater Lektionen.

Der Fleiß, den Buchbinder damals getreu dem Motto, dass zur Inspiration immer auch ein gehörig Maß an Transpiration gehöre, entwickelte, ließ ihn bald über ein immenses Repertoire in Klassik und Romantik gebieten. Später konnte er witzeln: Wer übt, hat's nötig. Vom übermäßigen Training hält er heute so wenig wie von ein für alle Mal festgeschriebenen Fingersätzen – längst erntet er die Früchte dessen, was er sich im jugendlichen Überschwang erarbeitet hat. Die Bahn auch der medialen Vermarktung war klug abgesteckt: Für Schallplatten nahm Buchbinder einen längst legendären Zyklus sämtlicher Klavierwerke des sträflich vernachlässigten Joseph Haydn auf.

Das war die beste Grundlage für die Beschäftigung mit den Konzerten Mozarts und dem Gesamtwerk Beethovens, dem er sogar ein Buch widmete – und das den Mittelpunkt seiner unglaublich reichen, über die Welt verstreuten Konzerttätigkeit bildet.

Dazu, versteht sich, Bach und Brahms, Schumann und Schubert, und was die (vornehmlich deutsch-österreichische) Literatur hergibt. Das ist viel, wie man weiß, und Buchinder gebietet souverän darüber – und findet sogar Zeit, in seiner reichen Sammlung an Drucken Herausgeberschlampereien zu korrigieren und – nicht zu vergessen – Konzerte zu programmieren: Seit zehn Jahren ist er Intendant des Grafenegger Sommerfestivals, bei dem man sogar ein eigenes Festspielhaus samt Wolkenturm errichtet hat und sich die prominentesten internationalen Kollegen des prominenten Wiener Musikers die Klinke in die Hand geben . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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