Roščic: Vom „Presse“-Robo über die Ö3-Reform zur Klassik-Starmania

Bogdan Roscic
Bogdan Roscic(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Porträt. Wie der designierte neue Staatsoperndirektor Bogdan Roščic durch die Institutionen ging – und was er über Pop, Klassik und Oper sagte und sagt.

Wien. „Gabba, gabba, hey!“ Dieser Slogan der US-Punkband Ramones stand auf dem T-Shirt, das „Presse“-Popkritiker Bogdan Roščić getragen haben soll und an das sich ältere Redakteure noch erinnern können. Chefredakteur Thomas Chorherr soll über das „Ruderleiberl“ laut die Stirne gerunzelt haben . . . Das war 1989, Roščić, in Belgrad als Sohn eines Ärztepaars geboren, 1974 nach Linz emigriert, hatte soeben am Philosophieinstitut der Universität Wien mit einer Dissertation über Theodor Adorno promoviert, in einer Zeit, als dort verschwurbelte postmoderne Philosophen à la Derrida und Deleuze en vogue waren. Die einzigen französischen Philosophen, die er kenne, seien Asterix und Obelix, höhnte er einmal. Mit derselben Galle und Lust zur Provokation, meist unter dem Nom de guerre „Robo“, schrieb er in der „Presse“ – nach einer Talentprobe in Form eines Verrisses eines Ars-Electronica-Symposiums („Ich habe kein Wort verstanden, aber es war sehr tief“) – über Pop. Er nannte Bon Jovi und U2 „alte Ochsen“ und Guns N' Roses „die Rolling Stones von heute, nur dümmer“, schoss mit Sätzen wie „Ich hasse die Doors“. Madonna dagegen liebte er. An ihr pries er, dass „sie auf alle Heucheleien der musikalisch-moralischen Welt verzichtet und stattdessen schlicht und ergreifend anspricht, worum es den meisten ihrer Bewohner geht, wovon sie meistens aber zu wenig bekommen: Sex und Geld.“

Lieblingsfeind der alten Austropopper

Bald wurde er vom „Kurier“ abgeworben, wo er das Medienressort leitete, aber weiter Popkritiken schrieb, die Dummheiten des Mainstream virtuos geißelnd. Umso größer war die Überraschung, als er 1993 als Musikchef zu Ö3 wechselte – und dort ganz und gar nicht die Musik spielte, die er als Kritiker geschätzt hatte, sondern maßgeblich dazu betrug, den Sender als das zu erhalten, was er bis heute ist: eine Cashcow des ORF, mit einem Musikprogramm, das die Privatsender nicht populistischer machen können. Der Nebeneffekt dieser radikalen Umwandung in ein von der Marktforschung geleitetes Formatradio, die er ab 1996 als Senderchef weiterführte, war eine große, anhaltende Empörung der alten Austropopper von Wolfgang Ambros abwärts, die ihre Radiominuten schrumpfen sahen und ihn zum „Zerstörer des Austropop“ stilisierten. „Es gibt kein Menschenrecht auf Airplay“, beschied er ihnen schmallippig.

Früher Berufswunsch: Dirigent

Freundlicher über österreichische Künstler sprach er nach seinem nächsten Wechsel: 2001, als Managing Director zu Universal Music, als solcher trat er auch als Juror bei „Starmania“ auf. Schon zwei Jahre später ließ er den Pop hinter sich, übernahm die Deutsche Grammophon, die wohl renommierteste Tochterfirma von Universal, war fortan also nicht mehr für Pop-, sondern für Klassikstars zuständig. Wenn er einst in Interviews gesagt hatte, dass er am liebsten Dirigent geworden wäre oder dass er neben Punk und Black Music immer Oper höre („am liebsten beim Bügeln“), hatten das wohl manche als Scherz verstanden. Doch es war keiner. Roščić, den Bekannte ohne jede Ironie als Bildungsbürger beschreiben, bekennender Doderer-Fan, liebt klassische Musik. Er blieb ihr fortan treu, 2006 übernahm er Decca in London, 2009 Sony Music Classical in New York. In seiner Repertoirepolitik ist er, wie Klassikkenner bezeugen, dem breiten Geschmack, den großen Stars verpflichtet. Zur Karriere von Anna Netrebko soll er einiges beigetragen haben. Luciano Pavarotti betreute er genauso wie Cecilia Bartoli. „Oper ist Showbusiness“, sagte er einmal. Weniger flapsig klang nun, was er bei der Vorstellung als Opernchef sagte: „Die Oper wird seit 1945 totgesagt. Sie hat Bedeutung verloren.“ Die geringe Rolle zeitgenössischer Werke sei „die große Achillesferse des Betriebs“: Denn: „Oper war einmal ausschließlich zeitgenössisch. Es wäre grotesk gewesen, wenn ein Werk nicht neu gewesen wäre. Dahin zurückzukehren, auch wenn das natürlich so nicht realistisch ist, muss das Ziel sein.“

Dass sein eigenes Ziel die Leitung eines großen Opernhauses war, hat er nie verschwiegen. So wirkt auch glaubhaft, wie er seinen Wechsel von der Plattenindustrie an die Oper beschrieb: „Es ist die wichtigste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe.“ Dass er sich gleich verbal in die Fußstapfen Mahlers stellte, zeigt: Das Gefühl für große Gesten hat er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2016)

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