Hamburg: Endlich auch Musik in der Elbphilharmonie!

 Endlich Musik – sieben Jahre nach der avisierten Ouvertüre: der akustisch fantastische Konzertsaal der Elbphilharmonie. Diese ist mit knapp 800 Millionen Euro der achtteuerste Wolkenkratzer der Welt.
Endlich Musik – sieben Jahre nach der avisierten Ouvertüre: der akustisch fantastische Konzertsaal der Elbphilharmonie. Diese ist mit knapp 800 Millionen Euro der achtteuerste Wolkenkratzer der Welt.(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Eines der schier endlosen Baumärchen der deutschen Gegenwart schließt mit der ersehnten Pointe: Im fashionablen Kulturwahrzeichen der Hafencity spielt am kommenden Mittwoch erstmals ein Symphonieorchester.

Das architektonische Wunderwerk können die Hamburger selbst und die Gäste der fashionablen neuen Hafencity längst bewundern. Wer der Hansestadt regelmäßig Besuche abstattet, kann erzählen, wie das gigantische Bauprojekt aus der alten Speicherstadt regelrecht herausgewachsen ist. Über die Dächer der Metropole hob sich nach und nach ein kühn geschwungener Glaspalast. Die höchste Stelle ragt 110 Meter in die Lüfte.

In luftige Höhen schossen auch die Kosten. Im Sommer 2005 sprach man von 186 Millionen Euro, die das ehrgeizige Projekt verschlingen würde. Elf Jahre später und wenige Wochen nach der Übergabe der in 37 Metern Höhe liegenden öffentlichen „Piazzetta“ durch die Baufirma an die Hansestadt weiß man, dass die Elbphilharmonie mit knapp 800 Millionen Euro auf Rang acht in der Liste der zehn teuersten Wolkenkratzer der Welt gelandet ist. Ursprünglich waren 77 Millionen veranschlagt gewesen.

Doch hat man in Deutschlands Großstädten mit enormen Kostensteigerungen und verspäteten Übergaben reichlich Erfahrung. Vom neuen Berliner Flughafen, der längst eröffnet werden sollte, weiß man bis heute nicht, wann er fertig werden wird. Zur Freude der Berlin-Reisenden, die von Tegel nach wie vor bequem und schnell ins Zentrum der Hauptstadt kommen und auf unbewältigte Zubringerlösungen wie in München gut und gern verzichten.

Traumblick aus neuem Wahrzeichen

Nicht verzichten wollen Musikfreunde aus aller Welt auf einen neuen Konzertsaal mit optimaler Akustik, wie er das Herzstück der Elbphilharmonie bilden soll, die im Übrigen dank der architektonischen Fantasie der Schweizer Herzog & de Meuron längst zu einem neuen Wahrzeichen Hamburgs wurde. Ein Hotel und mehrere Restaurants mit Traumblick über die Stadt inbegriffen.

Nun soll, sieben Jahre nach der avisierten Ouvertüre, das erste Konzert stattfinden und die Aufnahme des künstlerischen Betriebs signalisieren. Dem österreichischen Intendanten der Hamburger Philharmonie, Christoph Lieben-Seutter, fiel vermutlich der größte Stein vom Herzen, als der Hamburger Bürgermeister, Olaf Scholz (SPD), davon sprach, dass trotz aller Verzögerungen und der enormen Verteuerung die Realisierung des Projekts „eine richtige Entscheidung“, für die Stadt gewesen sei: Die Elbphilharmonie sei ein „faszinierender Ort“, und „die Besucher können eines der besten Konzerthäuser der Welt erleben“. Darauf freute sich auch Lieben-Seutter, als er 2007 vom Wiener Konzerthaus als Intendant nach Hamburg wechselte – doch wie schon in Wien war er nebst künstlerischer Planung auch in der Hansestadt vorrangig mit der Bauaufsicht konfrontiert. Nun gilt's endlich der Kunst.

Was den Akustikern wirklich gelungen ist, wird man spätestens Mitte dieser Woche wissen, wenn von den ersten symphonischen Abenden zu referieren sein wird.
Architekt Jacques Herzog gab sich schon angesichts der Einweihung der „Piazzetta“ in luftigen – wie manche Spötter rasch anmerkten: allzu luftigen, weil zugigen – Höhen „glücklich, wir hoffen, dass die Menschen ihre Elbphilharmonie lieben werden“. Politik, so Herzog, könne ja doch Positives bewegen. Für eine Stadt wie Hamburg sei die Eröffnung eines solchen multifunktionalen Konzerthauses ein wichtiges Zeichen.

Stilecht wird es am Mittwoch am frühen Abend mit einer Uraufführung losgehen. Wolfgang Rihm hat eigens zum Anlass ein neues Werk komponiert, das Jonas Kaufmann, begleitet vom nunmehr zu NDR Elbphilharmonie umgetauften Hausorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Thomas Hengelbrock, singen sollte. Doch der Tenor will nach Ausheilung seiner Stimmbandprobleme erst eine Woche später wieder an die Öffentlichkeit treten – als Lohengrin in der Pariser Bastille-Oper unter Philippe Jordan. So springt Pavol Breslik ein, der im Zuge der Eröffnungskonzerte ohnehin in Hamburg ist. Wie seine Kollegen Camilla Tilling, Philippe Jaroussky und Bryn Terfel, die alle am 11. Jänner mit von der Partie sind, wenn unter dem parsifalesken – und für die Elbphilharmonie und ihre Baugeschichte symptomatischen – Motto „Zum Raum wird hier die Zeit“ Musik aus vier Jahrhunderten gemacht wird.

Am 12. März wird das Auftaktspektakel wiederholt, während mit einem Auftritt des Ensembles Resonanz auch der „kleine Saal“ der Philharmonie eingeweiht wird. In den kommenden Tagen folgen dann das Hamburger Staatsorchester unter Kent Nagano und als erstes Gastorchester Chicago Symphony unter Riccardo Muti. Danach stecken Pianistin Mitsuko Uchida, diverse Quartette, Wiens Philharmoniker unter Semyon Bychkov und die Band Einstürzende Neubauten den programmatischen Rahmen ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2017)

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