Kammeroper: Oper als Triumph über den Tod

Der Krieg im Sand: Rainer Vierlingers Inszenierung von „Der Kaiser von Atlantis“ verzichtet auf jede Beschönigung.
Der Krieg im Sand: Rainer Vierlingers Inszenierung von „Der Kaiser von Atlantis“ verzichtet auf jede Beschönigung.(c) Kammeroper/Herwig Prammer
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Packendes Plädoyer für den Frieden: Viktor Ullmanns und Petr Kiens im KZ Theresienstadt entstandene Oper „Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung“.

Ein Plädoyer für den umfassenden Frieden, allegorisch verpackt in eine Parabel vom Krieg. In dieser Form tritt die Botschaft so klar hervor, dass unvorstellbar scheint, unter welchen Bedingungen Komponist Viktor Ullmann und Librettist Petr Kien den „Kaiser von Atlantis“ geschrieben haben: in der zu Alibizwecken geförderten Kulturszene im Konzentrationslager Theresienstadt. Zur Aufführung kam es dort nicht mehr, beide wurden nach Auschwitz deportiert. Der Dichter Hans Günther Adler rettete diese und alle weiteren Autografen Ullmanns aus Theresienstadt, 1975 wurde die Oper in Amsterdam uraufgeführt.

Die Handlung, beeinflusst von Ullmanns Erfahrungen als freiwilliger Armeediener im Ersten Weltkrieg, besteht im Wesentlichen aus drei Schlüsselszenen. Zunächst boykottiert der Tod, personifiziert als österreichisch-ungarischer Soldat mit hechtgrauem Mantel, den vom Kaiser (mit dem sprechenden Namen Overall) proklamierten Krieg aller gegen alle. Diese fantastische Wendung macht es möglich, dass zwei feindliche Soldaten mitten im Schlachtfeld einander als Mann und Frau erkennen. Sie finden die Liebe und nicht den Tod. Der Kaiser kann unter diesen Umständen seine Macht nicht ausweiten und gerät in Erklärungsnot über die rätselhafte Seuche, die Menschen unsterblich macht. Daher lässt er sich vom Tod in die Knie zwingen: Nur wenn er auf das eigene Leben verzichtet, wird der Tod sein jahrtausendealtes Handwerk wieder aufnehmen.

Hervorragende Videosequenzen

Rainer Vierlingers Inszenierung verzichtet auf jegliche Beschönigung. In aller Härte stellt er die Gewalt der Worte in den Mittelpunkt. Viel mehr als ein Haufen Sand und ein vertrockneter Baum sind auf der Bühne nicht zu finden. Programmatisch wird der Baum nach dem Prolog entwurzelt, um fortan auf halber Höhe über der Bühne zu hängen. Unterstützt wird diese Kargheit lediglich durch die von Cosimo Morelli hervorragend gestalteten Videosequenzen, die mit ihren Illustrationen an Ari Folmans „Waltz with Bashir“ erinnert haben und die Öffnung der Handlung in Zeit und Raum ermöglichen: Durch den Dschungel (Vietnams?) marschierende Stiefel formen sich zu dämonischen Figuren mit Feueraugen, und neben einem ausgemergelten Betenden verwandelt sich der Maschendrahtzaun des Lagers in die Berliner Mauer, an der sich Kennedy aus der Masse erhebt. Ein wenig plump symbolisiert der Mantel des Todes die Universalität der Geschichte: Sein Innenfutter ist geschmückt mit Fotos des Todes in Militäruniformen aus allen Ländern und Zeiten.

Ebenso international ist das junge, fünfköpfige Sängerensemble, das sich insgesamt allzu sehr mit der scharfen Aussprache plagt. Lediglich die junge dänische Sopranistin Frederikke Kampmann kann in ihrer Rolle als „Bubikopf“ vollkommen überzeugen und beweist vor allem im Liebesduett mit Julian Henao Gonzalez, wie zart und doch stark ihre Stimme klingen kann.

Präzise, oft heftig und in interessanten Instrumentenkonstellationen – neben Streichern und Bläsern hat Ullmann auch Cembalo, Harmonium und Banjo vorgesehen – unterstreicht das Wiener Kammerorchester das Bühnengeschehen.

Reprisen: 15., 18., 24., 27. und 31. Jänner, 2. Februar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

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