Das musikalische Ventil der Moderne und eine Liebesgeschichte

(c) Kenni Koller/Volksoper Wien
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Der Dirigent Jac van Steen über das Wagnis, ein Werk von immensen Ansprüchen wie Erich Wolfgang Korngolds „Wunder der Heliane“ an der Volksoper einzustudieren. Seit der Wiener Erstaufführung, 1927, hat sich kaum wieder ein Opernhaus an diese Riesenpartitur gewagt.

Jac van Steen studiert an der Wiener Volksoper Erich Wolfgang Korngolds „Wunder der Heliane“ ein, eines der ehrgeizigsten Musiktheaterprojekte der Zwischenkriegszeit. In Wien galt die „Heliane“ als „ernste“ Antwort auf den Sensationserfolg der „Jazzoper“ von Ernst Krenek, „Jonny spielt auf“. Doch selbst mit Solisten vom Format Lotte Lehmanns und Jan Kiepuras schaffte man es nach der Wiener Erstaufführung im Oktober 1927 auf nicht mehr als 27 Vorstellungen. Nach dem Verbot der Werke Korngolds (und Kreneks) durch die Nationalsozialisten hatte es „Heliane“ viel schwerer als die schon seinerzeit viel populärere „Tote Stadt“.

Der holländische Dirigent Jac van Steen hat als Generalmusikdirektor in Weimar und Dortmund viel Erfahrung mit einschlägiger Musik sammeln können. „Man muss viel Mahler und Richard Strauss dirigiert haben“, meint er im Gespräch, „um die Herausforderungen dieser Partitur zu bewältigen“, die, wie er sagt, ganz auf der Höhe ihrer Zeit steht und Elemente der Spätromantik mit jenen der Avantgarde der Zwanzigerjahre virtuos mischt. „Die Tatsache, dass man der ,Heliane‘ nach dem Zweiten Weltkrieg kaum eine Chance gegeben hat“, sagt van Steen, „hat jedenfalls gar nichts mit der Qualität der Musik zu tun. Es liegt an den Anforderungen, die diese Partitur stellt – wir haben, da es sich um eine konzertante Wiedergabe handelt, viel Platz, musizieren auf der Bühne und können Teile des Chors auch in den Logen verteilen. Und eines ist sicher: Es steckt so viel gute Musik in diesem Werk, dass jeder, der es hört, sich verlieben wird.“

„Korngold gegen Korngold“

Korngold, so meint van Steen, hat sich in diesem Werk an der übermächtigen Figur seines Vaters, des Musikkritikers der „Neuen Freien Presse“, abgearbeitet: „Wenn sich ein Kind als Genie erweist und einen Vater hat, der es aus einer bis ins Reaktionäre gehenden konservativen Ecke heraus von allem fernzuhalten versucht, was als ,zu modern‘ empfunden wird, dann kommt es einmal zu einem Befreiungsschlag.“
Korngold öffne in „Heliane“ ein Ventil: „Er hat alles freigelassen, was lang in ihm unterdrückt wurde. Wenn sich so viel aufstaut, dann kommt hie und da vielleicht ein bisschen zu viel des Guten heraus.“

Aber jedenfalls genug Material, um „eine überschwängliche Liebesgeschichte zu erzählen, eine, die ans Religiöse rührt“. Ins Textbuch wurde viel Symbolismus hineingepackt: „Man muss arg viel Fantasie haben, um an die Geschichte zu glauben, zugegeben“, sagt van Steen, „doch die Musik schafft es, stellvertretend unsere Gedanken zu führen, übernimmt die Rhetorik, die nötig ist, uns zu überzeugen.“

Geprobt wurde „mächtig“, sagt der Maestro, „denn es geht auch darum, dass die Sänger nicht gezwungen werden, zu forcieren, zu übertreiben.

Täten sie das, wären sie nach zwei Vorstellungen halb tot.“ Was van Steen durch „fließende Tempi“ und eine genaue Beachtung der dynamischen Vorgaben Korngolds zu verhindern wissen wird: „Korngold wusste genau, was er seinen Sängern abverlangen kann; und wir haben mit Annemarie Kremer, die man an der Volksoper schon dank ihrer Salome kennt, eine ideale Interpretin der Heliane gefunden; und mit Daniel Kirch einen perfekten Partner.“

Auch die kleineren Partien hat man nicht aus dem Chor besetzt, sondern mit Solisten aus dem Ensemble: „Das schaffte immense Qualität“, schwärmt der Dirigent, „das sind Topjungs, die sonst hier den Figaro oder den Leporello singen! Alle, nicht zuletzt der Chor, sind top vorbereitet und brennen für die Sache. Wenn Sie heute in die Volksoper kommen, dann summt es geradezu aus allen Räumen Korngold . . .“

Vorstellungen: 28. Jänner, 2., 5. Februar

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2017)

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