Rudolf Bibl, der Maestro der Volksoper, ist tot

Prof. Rudolf Bibl - Csárdásfürstin Probe in Tokio, Bunka Kaikan
Prof. Rudolf Bibl - Csárdásfürstin Probe in Tokio, Bunka Kaikan(c) Michael Williams
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2273 Vorstellungen hat der Wiener Dirigent im Haus am Gürtel geleitet. Er starb 87-jährig in Frankreich.

Das Jahr hat quasi unter seiner Leitung begonnen. Am 1. Jänner 2017 stand Rudolf Bibl am Pult der Wiener Volksoper und dirigierte „Die Fledermaus“. Es sollte sein letzter Auftritt in jenem Haus werden, dem er seit 1972 verbunden war wie kein zweiter Kapellmeister. Im Mai des vergangenen Jahres hatte er noch seine Volksoper auf die Japantournee begleitet. Dass man ihn allenthalben mit der Wiener Unterhaltungskultur identifizierte, kam nicht von ungefähr.

Großvater und Urgroßvater waren k. u. k. Hofkapellmeister und Domorganisten gewesen. Bibl lernte sein Handwerk an der Musik-Akademie gründlichst, belegte zum Dirigier-Studium auch die Fächer Klavier, Klarinette und Komposition. Sein wichtigster Lehrer, der legendäre Dirigentenausbildner Hans Swarowsky, verhinderte das Abdriften des offenkundig hochbegabten Künstlers in Richtung eines „soliden Brotberufs“. Bibl wollte sich der Biologie oder der Veterinärmedizin zuwenden, doch Swarowsky vermittelte ihn „meuchlings“ als Solorepetitor an die Grazer Oper.

Das war 1948. Vier Jahre später war Bibl Kapellmeister in Innsbruck und betreute wenig später, wieder zurück in Graz, jenes Repertoire, mit dem ihn bis heute alle Welt identifiziert: Als Operettenspezialist kam Rudolf Bibl 1960 in seine Heimatstadt zurück, wirkte zunächst am Raimundtheater, sodann als Erster Dirigent am Theater an der Wien. Vier Jahre (1969 bis 1973) in Trier, verbunden mit reicher Gastiertätigkeit in Frankreich und Luxemburg, dürfen als Intermezzo gelten.

Ab 1972 hatte Bibl seine echte Bestimmung gefunden. Mit seinem Debüt in der Volksoper, auf dem Programm stand Lehárs „Land des Lächelns“, war Bibls Schicksal besiegelt. Von September 1973 bis zu seiner Pensionierung, 1989, war der ProfessorEnsemblemitglied und im wahrsten Sinne dessen Stütze. Der Ruhestand war dann keiner, denn, wie schon gesagt, bis zum Anfang des Jahres 2017 dirigierte Bibl in seinem Haus – die Kompetenz, die Ruhe, die Sicherheit, die er ausstrahlte, das unfehlbare Rhythmusgefühl, das seine rechte Hand vermittelte, deren Bewegung jede kleinste Tempomodifikation unfehlbar abzulesen war, bereiteten Sängern und Musikern das solideste Fundament, das sich denken lässt. Ein Stückchen ihrer Identität hat die Volksoper am 27. Jänner verloren. [ Michael Williams ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2017)

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