Staatsoper: Verdis "Macbeth" als Operetten-Persiflage

Macbeth und die Lady in der Dusche
Macbeth und die Lady in der Dusche(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Ein jämmerlich überfordertes Regie-Team und eine mehrheitlich untaugliche Sänger-Besetzung richten ein Meisterwerk zu Grunde.

Das hatten wir auch in der Staatsoper bereits: Ein Regieteam versucht nachzustellen, wie eine Laientruppe aus dem Osten sich nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in westlichen Regietheater-Gewohnheiten übt. Neu ist an diesem „Macbeth": Erstmals klingt es auch so.
Anders gesagt: Würde ein frisch bestellter Direktor zum Einstand eine solche Verdi-Premiere ansetzen, seine Ära wäre gleich wieder zu Ende. Zum Ausklang einer zwei Jahrzehnte dauernden Intendanten-Regentschaft nimmt man eine derartige Ballung an musikalischer und szenischer Inkompetenz hingegen als staunenswerte Leistungsschau alles dessen, was man nicht kann.
An diesem „Macbeth" war freilich alles anders als geplant, Regie, Titelheld, Dirigent, kein Stein blieb auf dem andern. Doch gibt es vielleicht Grenzen, an denen ein Opernchef sich fragen müsste, ob es nicht besser wäre, einen spielfreien Abend zu riskieren, statt eine solch Ersatzvornahme als Premiere verkaufen zu müssen. Die angebliche Regie ist eine Aneinanderreihung von Plattitüden, deren kindisches Provokations-Potenzial (Marke: Tänzchen im königlichen Schottenröckchen, oder: mittelalterliches Duschen nebst Vollbad im bewaldeten Schlafzimmer) immerhin ausreicht, Wiens Publikum bis zur Weißglut zu reizen.
Das völlige handwerkliche Unvermögen zeigt sich jeweils im Auflösen der gerade arrangierten Menschenansammlungen: Es wäre eine Aufgabe für die erste Klasse am Regie-Seminar, wie man beispielsweise eine Reihe von Kinderleichen wieder von der Bühne bekommt. Die Staatsoper zeigt eine der Möglichkeiten, wie sich ein Regie-Aspirant bei der Lösung des Problems als unrettbar talentlos erweisen kann . . .

Mordlust im Operetten-Ton

Genug davon. Bis dato hat man in der Staatsoper zu solchen optischen Dilettantismen immer versucht, erstklassig Musik zu machen. Diesmal revoltierten die Zuhörer hie und da sogar aus musikalischen Gründen. Nun muss man zugeben, dass es nicht leicht ist, in einem dermaßen lächerlichen Ambiente ernsthaft Verdi zu interpretieren.
Die Grundfrage jeglicher „Macbeth"-Besetzung aber bleibt in jedem Fall klug zu beantworten: Wie definiert sich die Spannung zwischen dem Titelhelden und seiner ehrgeizigen Lady; aus welcher energetischen Situation heraus werden die haltlosen Gräueltaten unter dem Siegel der Karrieresucht möglich und glaubwürdig?
Über Jahre hin hatte die Staatsoper Erfolg mit einem mehrheitlich dem Belcanto verpflichteten Macbeth, dessen Antriebsmotor eine furiose, explosiv unausweichliche Heroine war. Nun hat man in Simon Keenlyside erneut einen Meister des Schöngesangs, der seine großen Szenen - und auch den diesmal gewählten, für Paris komponierten Lamento-Schluss - hinreißend wohlklingend phrasiert. Eine starke Charakterisierung einer schwachen Figur.
Allein, dahinter steht mit Erika Sunnegårdh eine Lady Macbeth für die Operetten-Version des Stücks: Der gegen die Höhe zu hübsch bewegliche Sopran tönt im großen Haus beinah soubrettig. Die dämonischen Konfrontationen der Protagonisten - Verdi komponierte ausdrücklich für „rauhe, erstickte, hohle Stimmen" - nehmen sich plötzlich aus wie ein aus dem Archiv ausgegrabenes, unbekanntes Duett Adele/Dr. Falke aus der „Fledermaus". „Spiel ich die Unschuld vom Lande" klänge unter diesen Umständen gewiss anmutig.

Verdi, der Unberührbare

„La luce langue" klingt hingegen, freundlich gesagt, unterspielt. Eine melodramatische Untertreibung, sozusagen. So kann es kommen, dass erstmals der Tenor in „Macbeth" den größten Erfolg einheimst: Debütant Dimitri Pittas wurde mit seiner kurzen Szene am Beginn des vierten Akts dank hell, wenn auch etwas scharf timbrierter, um Pianokultur bemühter Stimme zum Publikumsliebling. Weniger Erfolg hatte Stefan Kocán als Banquo - er hatte denn auch als solider Bass-Recke kaum Chancen gegen übermächtige Vorgänger: Die todgeweihten Könige früherer Inszenierungen hießen Karl Ridderbusch und Nicolai Ghiaurov.
Alfred ?rameks Arzt bekam demonstrativen Sonderapplaus. Er wird sich sein Teil dazu gedacht haben, erinnert er sich doch wie das Publikum an ganz andere Potentaten, die er medizinisch zu betreuen hatte.
Auch für den ordentlich singenden Chor waren einst hintergründigere szenische Aufgaben zu bewältigen. Dirigent Guillermo Garcia Calvo organisierte umsichtig das milde Spiel um ein gewaltiges Stück, das in Wahrheit diesmal gänzlich unberührt blieb.

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