Erlaubt ist, was gefällt

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Trauer, Schmunzeln und Erinnerungen an den verstorbenen Peter Oswald: "Grenz.wert" mit dem Klangforum Wien.

Vibratogeschwängert wimmert die Viola das „Lamento der kahlen Sängerin“, im „Grinsenden Wahrsager mit dem falschen Gebiss“ klappert ein Xylofon: Unsuk Chins Ensemblestück „Gougalon“ ist eine Sammlung hinreißend bunter Straßentheaterszenen, bei denen die Satzbezeichnungen allerdings keine Königswege zum Verständnis pflastern, sondern der Fantasie nur auf die Sprünge helfen, ja vielleicht sogar falsche Fährten legen . . .

Die Komponistin treibt Allotria mit Gesten gefälschter Volksmusik, so wie der Nonkonformist Mauricio Kagel im leichtfüßig-heiter zusammengekleisterten „Südwesten“ (aus den „Stücken der Windrose“) auf einer Muschel blasen und Wasser verschütten lässt sowie mit Zitaten und quasiszenischen Einsprengseln kokettiert: Das ist Neue Musik, die sich über das Klischee des Bierernsts lustig macht.

Ist Kunst zweckfrei? Bedeutet jeder konkret absichtsvolle Einsatz von Kunst Sakrileg und Sündenfall? Oder war Kunst immer schon auch Mittel zum Zweck? „Grenz.wert“ nennt sich der neue Saisonzyklus des Klangforums, man will stilistische Ränder und Schranken neu vermessen – gleich zum Auftakt unter dem Motto „Gebrauchs-/Kunstmusik“. Menschen wie den ehemalige Klangforum-Intendanten Peter Oswald konnte die Musikwelt jedenfalls gebrauchen, sie ist ohne ihn ärmer. Anfang August ist der Journalist, Kulturmanager, Plattenproduzent und Festivalleiter mit knapp 64 Jahren gestorben.

Einige Musiker erinnerten sich in einer Gedächtnisfeier vor dem Konzert mit treffenden Anekdoten an Oswald, der zu einer entscheidenden Zeit Impulsgeber war: in den Aufbruchsjahren des Ensembles ab 1992, in denen er auch Sylvain Cambreling ans Pult geholt hatte. Dieser dirigierte nun zu Oswalds Ehren das hochprozentige Tröpfeln von Beat Furrers „Studie 2 – à un moment de terre perdue“ und zuletzt auch Filmscores, Schönbergs „Begleitungsmusik“ und die pittoresken Stilmixturen von Bernd Alois Zimmermanns „Metamorphose“: Erlaubt ist, was gefällt. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2017)

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