András Schiff auf Reisen durch „letzte Worte“

András Schiff.
András Schiff.(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Der Pianist spielte im Musikverein die letzten Klaviersonaten von Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert.

Längst ist es ein Lieblingssoloprogramm von András Schiff: die letzten Sonaten der Wiener Klassiker in einem Programm zu präsentieren. Wie auch diesmal, zu Beginn der neuen „Große Solisten“-Reihe der Gesellschaft der Musikfreunde. Es wurde ein besonderer Abend, auch dank der Wahl des Instruments. Schiff verwendete für diese Reise durch gleichsam „letzte Worte“ einen für die Klangwelten der vier Werke besonders prädestinierten Bösendorfer, den er nicht, wie üblich, parallel zum Publikum stellen ließ, sondern etwas schräg. Als wolle er damit zeigen, dass es ihm nicht nur darum geht, ein sehr spezifisches Programm zu spielen, sondern dabei vor allem mit seinem Publikum zu kommunizieren.

Nicht die einzige Pointe dieses Recitals, auch die Stückabfolge hatte sich Schiff gründlich überlegt. Er begann mit dem am frühesten komponierten Werk, Mozarts D-Dur-Sonate KV 576, setzte aber nicht mit der wenig später entstandenen letzten Haydn-Sonate, Hob. XVI:52, fort, sondern mit Schuberts finaler B-Dur-Sonate, D 960. Warum, wurde spätestens am Beginn des zweiten Teils dieses Abends deutlich, den er mit der Haydn-Sonate eröffnete. So konnte er ganz selbstverständlich demonstrieren, wie viele Anregungen Schubert von Haydn erhalten hat.

Wo Haydn auf die Romantik weist

War es Schiff bei Mozart vor allem darum zu tun, die komplexe kontrapunktische Faktur seiner D-Dur-Sonate mit einer faszinierenden Mischung aus Eloquenz und Leichtigkeit herauszuarbeiten, so legte er den Fokus bei Haydn auf das bereits Züge der Romantik vorwegnehmende, traumverhangene E-Dur-Adagio, betonte deren nicht nur für die damalige Zeit kühne Modulationen und arbeitete mit besonderer Finesse die variantenreiche Rhythmik dieses auch mit marschartigen Zügen aufwartenden Satzes heraus.

Am eindrucksvollsten gelang die Schubert-Sonate. Sie interpretierte Sir András unglaublich natürlich, begleitet von bis ins Detail durchdachten Akzenten und einer das Kantable des Werks herausstreichenden weiten Klangpalette, ohne im Mindesten die oft unvermutet heftigen Ausbrüche zu verniedlichen. Eine weit über seine einstige Einspielung dieses Werks hinausgehende Modellinterpretation. Man wird sich noch lange an diese in jeder Phase des Geschehens eindringliche wie aufregende Darstellung erinnern. Mit nie erlahmender Energie und gleichfalls in bester manueller Verfassung stürzte sich der Pianist schließlich in Beethovens c-Moll-Sonate Opus 111. Souverän fächerte er mit ebensolcher Logik wie bei den Sonaten zuvor deren vielschichtige Facetten auf, vor allem im zweiten Satz: egal, ob es sich um die mit mitreißendem Elan genommenen, quasi „swingenden“ Abschnitte handelte oder die ätherischen Trillerketten dieser Arietta. Einzig die Maestoso-Einleitung des Stirnsatzes hätte man sich deutlicher konturiert, mit mehr dramatischer Wucht vorstellen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2017)

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