Das „Neujahrskonzert“-Monopol

Die Philharmoniker haben sich die Wortmarke schützen lassen – und gehen bereits rechtlich gegen das Wiener Hofburg Orchester vor.

Der Brief traf Gert Hofbauer aus heiterem Himmel: Eine deutsche Großanwaltskanzlei wies den Wiener Konzertveranstalter im September – noch – freundlich darauf hin, dass „die Marke ,Neujahrskonzert‘ zu Gunsten der Wiener Philharmoniker eingetragen“ worden sei und man ihn daher bitte, „die Bezeichnung Neujahrskonzert nicht mehr zu verwenden“. Dorn im Auge der philharmonischen Mandanten waren drei Darbietungen des Wiener Hofburg Orchesters, die am 1. Jänner stattfinden und daher als „Neujahrskonzerte“ beworben werden. Wie seit 30 Jahren. Die Philharmoniker hat das in den vergangenen 28 Jahren nicht gekratzt. Nur beim allerersten Mal, erinnert sich Hofbauer, habe es Proteste gegeben: „Damals wurde uns gedroht, man werde das, also unsere Konzerte, abstellen. Passiert ist dann natürlich nichts.“ Spielen und spielen lassen war die Devise.

Die gilt nun nicht mehr. Bereits 2008 haben die Wiener Philharmoniker beim Patentamt die Wortmarke „Neujahrskonzert“ (AT 247836) eintragen lassen. Nun schicken sie ihre Anwälte vor, um diese Markenrechte durchzusetzen. Wohlgemerkt nicht am Begriff „Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker“, sondern alleine am Wort „Neujahrskonzert“.

Dabei wird allerdings selektiv vorgegangen, wie ein breiter Rundruf der „Presse“ ergeben hat. So spielt etwa das niederösterreichische Tonkünstler-Orchester Neujahrskonzerte gleich im Dutzend, ohne aber deshalb Misstöne in Form einer Anwaltsdrohung vernommen zu haben: „Dass sich die Philharmoniker ,Neujahrskonzert‘ haben schützen lassen, höre ich zum ersten Mal. Mich wundert, dass das überhaupt gegangen ist“, sagt Geschäftsführer Johannes Neubert. Ähnlich die Situation beim Bruckner Orchester Linz, das im Brucknerhaus für ein Neujahrskonzert gebucht ist. Beim Veranstalter LIVA betont man den guten Draht zu den Philharmonikern, die ja jährlich auch im Brucknerhaus gastieren.

„Dann haben wir Patentrechtsproblem“

Hetzen die Philharmoniker also ihre Anwälte nur auf Wiener Ensembles? Wieder Fehlanzeige. Weder das Salonorchester Alt-Wien (Kursalon Hübner) noch das Imperial-Orchester bekamen wegen ihrer Neujahrskonzerte rechtliche Schwierigkeiten: „Wenn das durchgeht, haben wir ein Patentrechtsproblem. Dann könnte man sich ja auch ,Muttertagskonzert‘ schützen lassen“, gibt man sich beim Konzertveranstalter Classic Art erstaunt. Rade Lazarević von der Geschäftsführung des Salonorchesters sekundiert: „Wir bringen am 1. Jänner das Programm, das wir jeden Tag im Kursalon spielen. Außerdem sind wir ja auch keine wirkliche Konkurrenz.“ Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg war trotz mehrmaliger Anfrage nicht für eine Stellungnahme erreichbar, die Licht in die Angelegenheit bringen könnte, und auch Albrecht Haller, der österreichische Anwalt des Klangkörpers, gab sich berufsbedingt zugeknöpft.

„Ich weiß es nicht“, sagt Gert Hofbauer nur händeringend auf die Frage, warum ausgerechnet gegen sein Hofburg Orchester vorgegangen wird: „Vielleicht nehmen uns die Philharmoniker als die ernsthafteste Konkurrenz wahr. Und wenn wir ehrlich sind: So etwas wie die Hofburg-Feststiege mit dem Kaiser – da können die ja gar nicht mithalten“, nimmt er die Sache mittlerweile mit Humor. Und hat im Hintergrund einen rechtlichen Gegenschlag geführt. Die Forderungen der philharmonischen Anwälte waren immer nachdrücklicher geworden: Mitte November wurde Hofbauer „ausnahmsweise“ zugestanden, bereits vorhandene Druckwerke (also Flyer oder Plakate) für den 1. Jänner 2010 nutzen zu dürfen, allerdings nur bei einer „umfassenden Unterlassungserklärung“ für die Zukunft und einer Zusage, die Wortmarke „Neujahrskonzert“ nicht anzugreifen. Genau das hat Hofbauer nun aber getan und durch seinen Anwalt die Löschung der Marke beantragt. Zwei Monate haben die Philharmoniker-Anwälte mit einer Gegenschrift Zeit, sonst wird die Marke wieder gelöscht, heißt es in einem Schreiben der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 15. Dezember.

„Ich wollte keinen Krieg haben“

Freilich wäre es ihm lieber gewesen, den Rechtsstreit zu vermeiden: „Ich wollte keinen Krieg haben. Der Hellsberg hätte ja einfach mal anrufen können, bevor er mit dem Anwalt kommt“, meint Hofbauer, dann hätte er ihn schon argumentativ überzeugt, dass zwischen dem Neujahrskonzert der Philharmoniker und dem des Hofburg Orchesters keine Verwechslungsgefahr bestehe. Was er ihm eher nicht hätte sagen dürfen: „Der Unterschied ist, dass wir keine Raritäten spielen, sondern das, was die Leute wirklich hören wollen. Die vielen unbekannten Werke sind für die Philharmoniker ein Handicap.“ Sorgen macht er sich jedenfalls keine. Seine Konzerte sind wie die der Philharmoniker immer ausverkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2009)

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