Volksoper: Stummfilmblick in Verdis Werkstatt

Hängende Schultern, hängende Mähne. Vincent Schirrmacher als Karl Moor, hinter ihm der Chor, der von Zeit zu Zeit in Allerweltsoperngesten kippt.
Hängende Schultern, hängende Mähne. Vincent Schirrmacher als Karl Moor, hinter ihm der Chor, der von Zeit zu Zeit in Allerweltsoperngesten kippt.(c) barbara pálffy / volksoper
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Regisseur Alexander Schulin siedelt Verdis „Räuber“ nach Schillers Drama zwischen Expressionismus und Opernkonvention an. Unter Jac van Steen sucht eine weitgehend achtbare Besetzung nach einem deutschen Verdi-Stil.

Die erste Arie des Abends braucht keinen Text – also auch keine Übersetzung: Das Vorspiel ist ein Andante für Violoncello und Orchester, in dem das Soloinstrument, sonor gespielt von Roland Lindenthal, die Rolle des Sängers übernimmt und die Grundstimmung der Oper in einer lamentablen Melodie zusammenfasst. Drei Kinder in knallroten Rokokogewändern lauschen einträchtig dieser Musik, die offenbar Vater Moor vorträgt. Sie sitzen in einem schwarzen Quader, einem drehbaren Guckkasten als Bühne auf der Bühne, der einen engen Wohnraum mit allerlei Türen darstellt. Kein Wunder aber, dass die zwei Buben und das befreundete Mädchen dem fensterlos tristen Ambiente bald entfliehen. Vereinzelt stehen sie da, als die Handlung einsetzt . . .

Mit dieser Familienaufstellungs-Symbolik beginnt die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Schiller-Vertonung „I masnadieri“ an der Volksoper, wo diese nun auf Deutsch als „Die Räuber“ auf freiem Fuß sind. Zwischen Bettina Walters historischen, im 18. Jahrhundert verankerten Kostümen und der mit Schwarzweißkontrasten und Drehbühne variierten Szene von Bettina Meyer schien es, als wollte sich der Regisseur Alexander Schulin von jenem Augenzeugen inspirieren lassen, der bei der Uraufführung von Schillers Reißer des Sturm und Drang 1782 in Mannheim „rollende Augen, geballte Fäuste, heisere Aufschreie“ wahrnahm – im Publikum, wohlgemerkt. Übersetzt auf die Volksopernbühne bedeutet das für die Personenführung expressive, teils in Zeitlupe ausgeführte Stummfilmgestik – wenn es punktuell glückt. Viel öfter aber kippt das Händeringen, Schlurfen und Lauern in Allerweltsoperngesten mit Mottenkugelaroma. Das gilt vor allem für den Chor, der seine ungewöhnlichen Nummern allerdings mit revolutionär-gewaltiger, stellenweise greller Inbrunst singt, und für die Nebenfiguren.

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