Schroff und scharf ist dieser „Wozzeck“

Florian Boesch (Wozzeck) stellt psychische Extremsituationen vokal ungeschönt aus. Lise Lindstrom verleiht der Marie mit metallischem Sopran Selbstbewusstsein.
Florian Boesch (Wozzeck) stellt psychische Extremsituationen vokal ungeschönt aus. Lise Lindstrom verleiht der Marie mit metallischem Sopran Selbstbewusstsein.(C) Werner Kmetitsch
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Theater an der Wien. Alban Bergs Oper entfaltet mit Florian Boesch in der Titelrolle seine erschütternde Kraft – trotz einiger Eingriffe von Regisseur Robert Carsen und einer Version für kleines Orchester, bei der sich Balancen verschieben.

Türkis. Blaubraun. Ocker. Ein Muster militärischer Tarnfarben regiert das Bühnenbild in der Neuproduktion von Alban Bergs „Wozzeck“ im Theater an der Wien. Hatte William Kentridge im Sommer in Salzburg die geschundene, benutzte, erniedrigte Kreatur mit expressiven Bildern umflutet, beschränkt Gideon Davey seine Ausstattung und variiert dabei mit Zentralperspektive und hohen Eingängen Prinzipien des Barocktheaters. Auf halbhohen, quer gespannten Seilen werden Zwischenvorhänge eingezogen, wieder geöffnet oder als Ganzes gesenkt und gehoben: Sie schneiden die Fläche nahe der Rampe für intimere Räume ab. Natur bleibt ausgespart, alle symbolistischen Anspielungen auf die Dämmerung, den Mond und ähnliches werden nur in Text wie Musik geschildert, gleichsam in Wozzecks Wahrnehmung und Innenleben verlegt.

Robert Carsens Inszenierung holt die Geschichte näher an die Gegenwart, ist präzise und effektiv – auch wenn er sich Abweichungen gestattet: Marie etwa, der Lise Lindstrom mit metallischem Sopran Selbstbewusstsein verleiht, ist hier drogenabhängig und nimmt vom proletenhaften Tambourmajor Aleš Briscein Geld für Sex – doch ihre Suchtkrankheit verwässert die Beziehungskrise mit Wozzeck eher, als sie zu verschärfen. Dessen ungeachtet gelingt es Florian Boesch, mit der Titelfigur zu verschmelzen: Er stellt psychische Extremsituationen vokal ungeschönt aus. Dass dabei die heikle „rhythmische Deklamation“ mit der Andeutung bestimmter Tonhöhen oft kaum von den tatsächlich gesprochenen Stellen zu unterscheiden war, musste man hinnehmen.

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