Tollkühn bei Beethoven und Rachmaninow

Jewgenij Kissin (Archivbild)
Jewgenij Kissin (Archivbild)(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Jewgenij Kissin lotete im Musikverein eigene Grenzen aus und brach eine Lanze für einen Meister.

Es scheint so frivol wie tollkühn, mit Beethovens „Hammerklavier“-Sonate einen Abend im Musikverein zu eröffnen. Bei der Glockner-Etappe aller klassischen Sonaten zieht der Russe mit den bemerkenswerten Kraftreserven die Temposchraube an. Mit hartem gedrechselten Anschlag zielt Jewgenij Kissin auf einen technischen Parforceritt ab, der schon einen gewissen Eindruck macht. Das wuchtige Blättern im Notenkatalog erlaubt kein Innehalten, kein Luftholen, keine Ruhe- oder gar Reflexionspunkte – außer im Adagio-Mittelsatz, den Beethoven unmissverständlich „con molto sentimento“ überschrieben hat: Da sollte doch etwas Melancholie, Weltenflucht oder auch Resignation gestattet sein.

Geheimnislos auch der freie rezitativische Übergang zum Finale, in dem die Materialschlacht nicht mit Kriegslärm verwechselt werden sollte und die Einsätze zur dreistimmigen Fuge wie vom Skalpell gesetzt unter die Haut fahren. Kissin verbrennt sich an diesem großdimensionalen, vielschichtigen Geniewurf die Finger nicht, da er selbst für diese Bekenntnismusik nicht zu brennen scheint. Dramatischer Inhalt ist bei ihm hinter der Musik kaum auszumachen. Die übermächtige Erinnerung lebt ja noch von der goscherten Genialität eines Gulda oder von Impetus und Grandezza eines Pollini.

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