Symposium: Seit wann bei uns in Wien „Alles Oper“ ist

(c) APA/AFP/JOE KLAMAR
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Die Wissenschaft referiert zum 150. Jahrestag der Eröffnung des Staatsopern-Gebäudes an der Ringstraße.

Das große Jubiläum naht – im Mai 2019 ist der 150-jährige Bestand der Wiener Staatsoper an der Ringstraße zu feiern. Nun befasste sich eine Schar von Experten im Gustav-Mahler-Saal des Hauses mit dem weit umfangreicheren Kapitel „Geschichte der Oper in Wien“. Die Methoden hätten unterschiedlicher nicht sein können. Die Wissenschaft kam nicht nur durch das Aufzählen der Fakten zu ihrem Recht. Auch Wertungen waren ein ergiebiges Feld für wendige Referenten, die versuchten, Missverständnisse, Halbwahrheiten und Trugbilder zu korrigieren. So ergab sich ein Kaleidoskop nach dem Abbild der Gesellschaft, fühlen sich doch im Lande Millionen ebenso zum Operndirektor berufen wie zum Fußballtrainer.

„Abteilung für die Unheilbaren“

Franz von Dingelstedt, in dessen Intendanz die Hofoper ins Haus am Ring umzog, brachte es auf den Punkt: „Das Theater ist ein Narrenhaus, und die Oper die Abteilung für die Unheilbaren“, die nicht selten zu Propagandazwecken missbraucht wird. Symposiumsleiter Oliver Rathkolb schilderte nachhaltig die Vorgänge in der Zeit unter dem Hakenkreuz. Mit rassistischen Anfeindungen hatte schon Gustav Mahler zu leben gelernt. Im Orchestermaterial seiner Ära finden sich antitschechische und -jüdische Karikaturen.

Überdies war Mahler in jungen Jahren mit Viktor Adler bekannt, nahm an den Mai-Kundgebungen der Sozialdemokraten teil und galt als „Roter“ – unabhängig davon, dass er karrierebewusst vor seiner Kür zum Direktor zum Katholizismus konvertierte.

Erfahrenswert, wie Staatsopern-Jubiläen früher begangen wurden: 1939 lief parallel dazu die Ausstellung „Entartete Kunst“, 1949 galt die ganze emotionale Kraft dem Wiederaufbau, 1969 verlor Josef Krips in einem „Presse“-Artikel zum 100. Jahrestag der Eröffnung des Hauses nicht einmal einen Nebensatz zu den Demütigungen, die er selbst in der Nazizeit zu erdulden hatte . . .

Begonnen haben Opernleidenschaft wie Budgetnöte im Barock: Karl VI. musste in Kriegszeiten bei Opernfesten sparen, Maria Theresia hinterließ so tiefe Spuren wie Josef II. Musikverein-Archivdirektor Otto Biba referierte genüsslich über „höfische und nicht höfische Vergnügen“ in einer Zeit, als Vorstadttheater Alternativen zum Repertoire der Hofoper im Kärntnertortheater boten. Clemens Höslinger, Grandseigneur aller Opernhistoriker, berichtete virtuos mit ironischer Distanz über diese bedeutende Wiener Epoche inklusive Rossini-Taumel und markanter Direktorenpersönlichkeiten.

„Alles Oper“ statt „Alles Walzer“ wollte man über eines der wienerischsten Phänomene resümieren. Die Ergebnisse der Tagung sollen zum eigentlichen Jubiläum im Mai nächsten Jahres – fein geschärft und geschliffen – in Buchform erscheinen, als Pflichtlektüre für alle „Unheilbaren“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2018)

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