Seefestspiele Mörbisch: Drachen und Narren am Neusiedler See

Eine überzeugende Gräfin, hier im roten Mantel im Wiener Prater: Elissa Huber begeistert mit ihrem satten, leuchtenden Sopran.
Eine überzeugende Gräfin, hier im roten Mantel im Wiener Prater: Elissa Huber begeistert mit ihrem satten, leuchtenden Sopran.APA/JERZY BIN
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Das Bühnenbild für Lehárs „Land des Lächelns“ ist gewohnt opulent, die Inszenierung nicht allzu klischeehaft, die Besetzung sehr gut. Nur die One-Man-Show des Ex-Intendanten wirkt aufdringlich.

Ein riesiger Drachenkopf mit glühenden Augen, Vertikaltuch-Akrobaten, tanzende Krieger mit Speeren und ein Obereunuch, der zwar nicht singt, aber ein eigenes Couplet bekommt. In Mörbisch spielt man heuer Lehárs „Das Land des Lächelns“ und setzt im zweiten Akt auf Opulenz und Anspielungsreichtum. Im fernen China darf das Bühnenbild von Walter Vogelweider alle Stückeln spielen, der Drachenkopf wird über die Seebühne geschoben, entpuppt sich als monumentale Treppe, tanzende Affen- und Tigermasken sorgen für chinesisches Lokalkolorit.

Dabei hatte man im ersten Akt noch gezweifelt, ob das Stück überhaupt für die Mörbischer Seebühne geeignet sei. Denn es spielt vor allem in einem Wiener Salon und beschränkt sich oft auf Szenen mit zwei Personen, abgesehen von einer im – hier verloren wirkenden – Prater, in der zwischen alten Werbeplakaten der aktuelle Schriftzug eines Baumeisters schmerzhaft ins Auge sticht.

Leidenschaftlich: Elissa Huber

Lehárs Werk über eine Wiener Gräfin, die sich von den zaghaften Avancen des chinesischen Prinzen angezogen fühlt und ihm schließlich in seine ferne Heimat folgt, setzt vorrangig auf ohrenschmeichelnde, für die Sänger herausfordernde Duette im intimen Rahmen. Ein Glück, dass man mit Elissa Huber und Won Whi Choi eine sehr gute Besetzung gefunden hat. Huber, die schon als Csárdásfürstin an der Volksoper überzeugt hat, wirkt auf der großen Bühne nie verloren, vor allem hat sie einen satten, leuchtenden Sopran, der sogar ihrer Sprechstimme ein besonders warmes Timbre verleiht – was sie vor allem ausspielte, wenn der Prinz in die Nähe kam. Ihre Lisa ist keinesfalls ein Teenie, sondern eine liebeserfahrene Frau, die aus großer Leidenschaft heraus dem Geliebten in die Fremde folgt, anstatt mit dem herzig ungelenken Graf Gustl von Maximilian Mayer nach Prein an der Rax zu ziehen.

Der koreanische Tenor Won Whi Choi, der auch schon an der Met gesungen hat, agierte zwar rollengemäß kühl, zeigte aber für einen Verliebten dann doch zu wenig Mimik. Gesanglich stand er Huber um nichts nach, auch wenn er anfangs in der Höhe zu viel Vibrato, etwas Schärfe und zu wenig Klangfülle zeigte. Bald stellte sich aber auch diese ein, und „Dein ist mein ganzes Herz“ wurde zu einem Höhepunkt.

Gesanglich wie darstellerisch souverän auch Katerina von Bennigsen als quirlige Schwester des Prinzen, die Lisa in China zur Vertrauten wird. Dort angekommen wird die Wiener Gräfin mit den Gebräuchen des fremden Landes schmerzlich konfrontiert und will schließlich fliehen, das sonst in Operetten übliche Happy End bleibt diesmal am Neusiedler See verwehrt. Chinesische Strenge und Cultural Clash herrschen vor.

Regisseur Leonard Prinsloo bringt eine in manchen Szenen opulente, dennoch unaufdringliche, Klischees nicht überstrapazierende Inszenierung. Wenn man liest, dass er vom Tanz kommt, wundert man sich freilich, dass er aus den choreografischen Einlagen nicht mehr gemacht hat. Das Pferdeballett zu Beginn ging über Drehen und Gehen von einer Pose zur nächsten nicht hinaus, die vom Prinzen besungenen Apfelblüten taten nicht mehr, als ihre Leintuchkleider in verschiedenen Formationen zu präsentieren. Auch spätere Tanzeinlagen wirkten zumeist einfallslos. Die Videoleinwände wurden wenig genutzt, abgesehen von einer Sternschnuppe in einem Duett wurden nur Farbmuster projiziert.

Für Unterhaltung in diesem ansonsten hochemotionalen, tragischen Stück sollte der ehemalige Intendant Harald Serafin sorgen. Er machte die kleine Rolle des Obereunuchen zu einer aufdringlichen One-Man-Show, die als Hommage an seine Mörbisch-Karriere angelegt wurde und wohl ihre Fans findet. Als „der schönste Narr, den es hier im Burgenland noch gibt“, beschrieb er sich. „Früher war ich wirklich wichtig“, hieß es im wohl kaum aus dem Original-Libretto von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda stammenden Text, auch von Beton gegen Gelsen und einem „serafinierten“ respektive „sehr raffinierten“ Umgang mit Politikern war die Rede. Mag alles sein. Aber mit einem eigenen Couplet „Meine Bühne, deine Bühne . . . in Liebe, Serafin“ ist man übers Ziel hinausgeschossen, zumal Serafins Darbietung des Auftrittsliedchens schon nicht als Singen bezeichnet werden konnte. Dass er vom Publikum genauso gefeiert wurde wie die Hauptdarsteller – das ist nun mal Mörbisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2019)

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