Solo für Ottensamer

Solo fuer Ottensamer
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Bei den Wiener und den Berliner Philharmonikern sind die Stellen für erste Klarinette von Österreichern besetzt. Eine Betrachtung über den wienerischen Ton.

Ein Ensemble „Wien-Berlin“ gibt es längst. Der alte Widerstreit zwischen Preußen und Österreich lebt ja in musikalischer Hinsicht recht produktiv weiter. Wenn er vielleicht auch nicht mehr so reiche Blüten treibt wie früher.

Früher einmal, da war das ein veritabler Konkurrenzkampf. Die Wiener Philharmoniker, die Berliner Philharmoniker, und beide von Herbert von Karajan befehligt. Als der Salzburger Großmeister Mitte der Fünfzigerjahre die Nachfolge Wilhelm Furtwänglers in Berlin antrat, da übernahm er mehr als nur ein Orchester. Er übernahm auch den von Furtwängler mit regelrechter Caesaren-Kunst inszenierten Eifersuchtskrieg zwischen den beiden Metropolen. Furtwängler war der unangefochtene Primus inter Pares unter den großen Dirigenten seiner Zeit. Und sowohl die Wiener Philharmoniker als auch die Berliner Kollegen betrachteten ihn als einen der Ihren. Die Berliner mit mehr juristischem Unterfutter, denn an der Spree war Furtwängler Chef auch auf dem Papier.

Die Wiener haben ja bekanntlich keinen Chefdirigenten, doch gab es in der Geschichte immer wieder heimliche Identifikationsfiguren. Das waren die dirigierenden Direktoren der Hof- und später der Staatsoper. Furtwängler war zwar nie Wiener Direktor. Aber Herbert von Karajan wurde kurz nach seiner Berliner Berufung auch Intendant in Wien.

Nivellierung bei den Streichern

Und da ging das Wettkampfbuhlen der Musiker um die Gunst des Maestros erst richtig los. Vor allem, weil es galt, die lukrativen Schallplattenverträge nicht alle der Konkurrenzkapelle zu überlassen.

Von lukrativen CD-Aufträgen ist heutzutage keine Rede mehr. Und auch von dem, was man gemeinhin den spezifischen, den unverwechselbaren Klang eines Orchesters nennt, ist nicht mehr viel übrig geblieben.

Jedenfalls hat sich in der Ära der Globalisierung auch die Erwartungshaltung an das, was weltweit als schöner Klang empfunden wird, nivelliert. Auch haben die Musikervereinigungen Mühe, in Zeiten, in denen auch ein Musikland, wie sich Österreich gern nennt, den musischen Unterricht in den Schulen gegen null reduziert, Nachwuchs zu finden. Nachwuchs, der sich auf den „heimischen Ton“ versteht. Was die Wiener Philharmoniker betrifft, kann man bei den Streichern längst feststellen, dass es eine „Wiener Geigenschule“, auf dem Humus der österreichisch-böhmischen Spieltradition gewachsen, nicht mehr zu geben scheint. Bei den Bläsern ist das – auch dank des famosen, aus der Reihe tanzenden oberösterreichischen Ausbildungssystems – ein wenig anders. Da hat die Alpenrepublik noch die Oberhand.

Besonders weicher Klang

Nun staunt der Musikfreund vielleicht, wenn er die Besetzungslisten der beiden großen Orchester aus Berlin und Wien studiert, wenn er zu den Klarinettisten vorstößt. Ottensamer steht da. In Wien steht gleich zweimal Ottensamer dort: Soloklarinettist Nummer eins ist der 1955 geborene Ernst Ottensamer, Soloklarinettist Nummer zwei dessen 24-jähriger Sohn Daniel. Er spielt seit Jahren im philharmonischen Verband mit und hat im Vorjahr das Probespiel für die Solostelle gewonnen. Also zweimal Ottensamer an der Spitzenposition.

Aber auch in Berlin findet sich der Name im Klarinettenregister: Andreas Ottensamer, Jahrgang 1989, hat es seinem Bruder vor Kurzem nachgemacht: allerdings in Berlin. Ab sofort heißen also die Soloklarinettisten in Wien und Berlin Ottensamer. Und, was das Schönste ist, die andere Solostelle bei den Berliner Philharmonikern ist seit Langem bereits mit einem österreichischen Klarinettisten besetzt: Wenzel Fuchs, seit 1993 in Berlin, stammt aus Innsbruck, hat in Wien studiert und bei den Wienern auch substituiert, ehe es ihn an die Spree verschlug.

Klarinette wird also ab sofort nur noch im wienerischen Tonfall gespielt, daheim, wie auch bei der Konkurrenz, die ja keine ist. „Wir pflegen“, erklärt Vater Ottensamer, „in Wien einen besonders weichen Klang. Den schätzt man nicht nur bei uns, so scheint's.“ Soviel Klangnivellierung lässt man sich in Wien gern gefallen.

FINALE IN SALZBURG

Berliner Philharmoniker: 29. August im Großen Festspielhaus, 20 Uhr; Musik von Wagner, Strauss, Schönberg, Berg und Webern. Mit Karita Mattila. Dir.: Simon Rattle.

Wiener Philharmoniker: 27. und 28. August im Großen Festspielhaus, 11 Uhr; Werke von Bruckner. Dir.: Bernard Haitink.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2010)

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