Oper: Aschenputtel und Siegfried in Paris

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Massenets „Cendrillon“ in der Opéra Comique in Prais ist szenisch zauberhafta aber musikalisch schwächer. In der Opéra Bastille setzen Krämer und Jordan indessen ihren „Ring“ fort.

Das Wiener Konzerthaus nimmt demnächst Anleihen beim Pariser Opernleben: Unter Mark Minkowski erklingt Jules Massenets Aschenbrödel-Oper „Cendrillon“. Es ist dies das Gastspiel einer für die Opéra Comique einstudierten Aufführung. Konzertant, was leider bedeutet: Wien kauft den mit Abstand schwächeren Teil der Produktion, die szenisch so zauberhaft gelang, wie eine Märchenoper nur sein kann. Die Regie von Benjamin Lazar füllt die Märchenbuch-Dekors von Adeline Caron fantasievoll mit Leben. Den Chorszenen haftet operettenhafte Leichtigkeit an, die Liebesgeschichte aber wird mit einer Poesie erzählt, über die Gäste aus deutschsprachigen Landen nur staunen können.

In Paris haben die Großen spürbar dieselbe Lust an „Cendrillon“ wie die vielen Kinder im Auditorium. Effekte wie der Umbau zweier Spinnräder zur Kutsche, in der die Feen das Aschenputtel in Richtung Königsschloss chauffieren lassen, entschädigen für manch musikalische Halbheit.

Gesungen wird nämlich nicht annähernd so farben- und nuancenreich wie gespielt. Gewiss hat Judith Gautier für „Cendrillon“ viel Charme und eine hübsche Stimme zu bieten, die freilich hie und da schon allzu scharf tönt. Der Prinz von Michèle Losier klingt durchwegs wohllautend, dafür nicht sonderlich prägnant charakterisierend.

Kein spätromantischer Opernton

Vor allem werfen aber Mark Minkowskis Musiciens du Louvre alle Vorstellungen über einen spätromantischen Opernton über den Haufen. Massenet, musiziert wie Händel, das macht im Falle der Anleihen bei barocken Rhythmen in der Ballszene gehörig Effekt. Aber in den lyrischen Momenten wartet man vergeblich, dass der Streicherklang sich wohlig-warm entfalten möge.

Dabei hat „Cendrillon“ (1899) – wie Massenets berühmtere Stücke – auch in dieser Hinsicht allerhand zu bieten. Nicht einmal so sehr in den Duett-Passagen zwischen Cendrillon und dem Prinzen als in den entrückten, visionären Momenten: Wenn Cendrillon von ihrem Abenteuer träumt, blüht eine Melodie auf, die es mit den bewegendsten Momenten in „Manon“ oder „Werther“ aufnehmen kann. Immerhin das können Wiener Musikfreunde am 19. März nachprüfen.

Ganz andere Anleihen an Märchenerzählungen nimmt Paris derzeit in der Opéra Bastille: Günter Krämer und Philippe Jordan haben ihren „Ring“ mit dem „Siegfried“ fortgesetzt. Doch schon bei der ersten Reprise der Neuinszenierung gab es zwei gewichtige vokale Ausfälle: Siegfried und der Wanderer waren indisponiert. Wobei Torsten Kerl immerhin seinen Part mimen konnte, während Christian Voigt mit hellem, doch merklich über das Limit forciertem Tenor von der Rampe aus sang. Dort traf er im entscheidenden Moment des dritten Akts auf Egils Silins, der an einem zweiten Notenpult stehend den Wotan sang, während ein Regieassistent die Choreografie ausführte.In Krämers Inszenierung könnte man wirklich nicht über Nacht einspringen, muss doch etwa die Sängerin der Erda, die profund orgelnde Diu Lin Zhang, mit dem Wanderer eine in Zeitlupe ausgeführte akrobatische Übung absolvieren.

Es gibt, abgesehen von solchen zirkusreifen Einlagen, in diesem Pariser „Siegfried“ auch wirklich spannungsgeladene Momente – etwa den Dialog zwischen dem Wanderer und dem exzellenten Mime von Wolfgang Ablinger-Sperrhacke oder die Konfrontation zwischen Siegfried und dem Großpapa, die zu einer veritablen Eskalation führt. Viele unbewältigte Viertelstunden zwischendrin verhindern aber einen stringenten szenischen Erzählfluss, wie ihn Philippe Jordan musikalisch bieten kann. Die Musiker haben für Wagner den rechten Ton gefunden, ohne angesichts des satten, abgedunkelten Klangs ihre (französische) Eleganz, die Beweglichkeit der Linienführung zu verlieren.

„Götterdämmerung“ folgt im Juni. Ein kompletter „Ring“-Durchlauf – es wäre der erste seit mehr als einem halben Jahrhundert in Paris – ist noch nicht avisiert.

Operntermine auf einen Blick

Massenet in Wien: „Cendrillon“ unter Mark Minkowski, im Konzerthaus am 19. März.

Massenet in Paris: Die szenische Version von „Cendrillon“ läuft noch am 13. und 15. März in der Opéra Comique. Sie übersiedelt nächste Spielzeit nach Luxemburg.

Wagner in Paris: „Siegfried“ in der Opéra Bastille, noch am 11., 15., 18., 22., 27., 30. März.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2011)

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