"Figaro": Wenn Intriganten ihre Meisterinnen finden

Figaro Wenn Intriganten ihre
Figaro Wenn Intriganten ihre(c) Dapd (Uwe Lein)
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Zwischen feuriger Virtuosität und nachdenklicher Dramatik: Riccardo Muti gelang zur Eröffnung der letzten von ihm kuratierten Salzburger Pfingstfestspiele mit "I due Figaro" ein musikalischer Triumph.

Ein letztes Mal schwingt Riccardo Muti das Zepter der Pfingstfestspiele, ehe er es an Cecilia Bartoli weiterreicht. Sie offeriert ab 2012 nebst einem Motto vor allem klingende Namen. Muti bot stets ein Podium für junge Sänger und das von ihm gegründete, diesmal mit besonders differenzierter Spielkultur aufwartende Orchestra Giovanile Luigi Cherubini. Und eine langfristige thematische Perspektive: Denn er setzte auf Musik der sogenannten Neapolitanischen Schule und rief damit die Bedeutung von Neapel und Wien als europäische Musikhauptstädte des 18. Jahrhunderts in Erinnerung. Bis ins 19. Jahrhundert beeinflussten sich die Komponisten gegenseitig.

Von Rossini zu Verdi. Saverio Mercadante bildet eine Brücke zwischen Rossini und dem frühen Verdi. In Neapel ausgebildet, wurde er zum Konservatoriumsdirektor und Chefdirigent des Teatro San Carlo. Sein Verdienst für das Musiktheater liegt darin, Belcanto und Psychologie zu einer spezifischen Harmonie geführt zu haben.

Das zeigt auch sein im Haus für Mozart in italienischer Sprache, mit deutschen und englischen Übertiteln gezeigter Zweiakter „I due Figaro o sia Il soggetto di una commedia“ nach einem Libretto von Felice Romani, das Realität und Wirklichkeit immer wieder durchmischt. Die Verknüpfung zahlreicher Handlungsfäden stiftet bewusst Verwirrung. Ein dem Plagiat aufgeschlossener junger Komödiendichter, Plagio (rollendeckend: Omar Montanari), erwartete sich vom intriganten Figaro Einsichten für sein neues Stück.

Zwölf Jahre nach Figaros Hochzeit soll Inez, die Tochter von Graf und Gräfin Almaviva, vermählt werden. Sie sehnt sich nach dem zwischendurch ebenfalls als Figaro auftretenden Cherubino. Figaro Nummer eins will durch Intrigen Inez mit dem ehemaligen Diener Cherubinos, Torribio, der als Don Alvaro seine schrägen Auftritte absolviert, vermählen und dafür die Hälfte der Mitgift kassieren.

Doch die Frauen, angeführt von Figaros Susanna, verbünden sich gegen den Intriganten. Sie wissen jede noch so delikate und überraschende Situation strategisch klug für sich zu nützen. Das Happy End ist damit vorprogrammiert: Inez bekommt ihren Cherubino, Figaro muss froh sein, nicht des Schlosses verwiesen zu werden. Nach diesem „heiteren Tag“, wie es nicht ohne Ironie im Libretto heißt, soll wiederum gegenseitige Liebe, die bei den Almavivas wie auch bei Figaro und Susanna zuvor zahlreichen Krisen ausgesetzt war, den Alltag bestimmen.

Brio mit spanischen Tänzen. Mercadante hat diesen Stoff mit einem Brio, wie es später für Bellini, Donizetti, den frühen Verdi prägend werden sollte, vertont, dabei zahlreiche, ebenso zündende spanische Tänze miteingebunden – immerhin wirkte der Komponist auch jahrelang am Madrider Hof. Den erwarteten Erfolg der Oper, die Mercadantes intime Kenntnis von Mozarts „Nozze di Figaro“ verrät, verhinderte vorerst die konservative Zensur. Ein Stück, in dem ein bürgerlicher Diener seinen adeligen Herrn gewissermaßen vorführt, galt als suspekt. Die gesellschaftliche Entwicklung überrollte dieses Argument rasch.

Kaum etwas von diesem einstigen Klassenkampf zeigt Emilio Sagis auf den Buffocharakter des Melodrammas konzentrierte Inszenierung. Die Regie wartet mit gefälligen Arrangements auf, das Bühnenbild Daniel Biancos kokettiert mit Kitsch: Die von weißen Farben dominierte Säulenhalle passt gut in einen gräflichen Garten und bietet zudem Platz für die zahlreichen Verwicklungen und Verwechslungen.

Antonio Poli als stimmkräftiger, gestisch etwas statischer Almaviva, Asude Karayavuz als dessen ihm nicht in allen Absichten folgende, sich stets klar artikulierende Gattin, Rosa Feola mit innigen Tönen aufwartende Inez, Annalisa Stroppa – die vokale Entdeckung dieser Produktion – als kraftvoll-energischer Cherubino, Mario Cassi als viriler Figaro und Eleonora Buratto als die Schwierigkeiten ihrer Rolle souverän meisternde Susanna führen die stimmig ausgewählte Sängerriege an.

Mutis Feuergeist. Riccardo Muti entlockt dem Orchester und dem Philharmonia Chor Wien enormen Farbenreichtum zur fesselnden Darstellung der gestischen Vielfalt dieser zwischen feuriger Virtuosität und nachdenklicher Dramatik changierenden Partitur. Neapel, keine Frage, ist in Salzburg angekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2011)

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