Rudolf Buchbinder: Durch Irritation angestachelt

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Symbolbild(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Beim Franz Liszts Es-Dur-Klavierkonzert im Wiener Musikverein mit dem Orchestra del Maggio unter Zubin Mehta am Dirigentenpult imponierte der Pianist Rudolf Buchbinder nach einer schmerzliche Verunsicherung.

Sensibilität kann riskant sein, in der Musik besonders. Wäre am Sonntag im Wiener Musikverein ein in sich verkapselter Pianist am Werk gewesen, hätte er vielleicht sein Tastenfeuerwerk unbehelligt von äußeren Einflüssen abbrennen können. So aber war etwas noch Spannenderes zu erleben – auch wenn man diese Spannung weder den Musikern noch sich selbst im Publikum wünscht: Bald nach Beginn von Franz Liszts Es-Dur-Klavierkonzert kollabierte eine Dame in den ersten Reihen und wurde unter erheblichem Lärm hinaustransportiert. An Rudolf Buchbinder ging diese Irritation nicht spurlos vorüber: Gewiss hätte er unter optimalen Umständen treffsicherer agiert. Aber wie er die schmerzliche Verunsicherung in doppeltem Sinne überspielte, wie er die Aufmerksamkeit wieder auf sich fokussierte und dabei, so schien es, die Akkordzerlegungen der Linken bei seinem ersten Einsatz im Quasi Adagio zunächst besonders rhapsodisch frei und gedehnt nahm, um den letzten Störungswellen noch Momente zum Abflauen zuzubilligen, bevor er die Kantilene darüber spann – das gelang imponierend. Und spätestens als Buchbinder die dem Schluss zueilenden Presto-Oktaven mit so risikofreudigem Elan donnern ließ, dass Zubin Mehta am Dirigentenpult vom Tempo beinahe überrascht war, hatte er sich erholt – was dem Vernehmen nach auch für erwähnte Dame gilt.
Es war das erste von zwei Gastspielen mit dem Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino unter Mehta. Am Beginn stand „Mazeppa“ nach Victor Hugo, eine symphonische Dichtung, in der Liszt das aus seiner gleichnamigen Klavieretüde bekannte, düstere Thema komprimiert. Mit so groß besetztem, modernem Orchester lässt sich das Stück wohl kaum in besserem Verhältnis von Effekt und Geschmack darstellen, wenn auch Liszts grelle Farben unter einiger Patina verschwanden. Schade nur, dass Mehta seine Florentiner nach der Pause bei Straussens „Heldenleben“ allzu plakativ auftrumpfen ließ, wodurch die klassizistische Tondichtung zur Materialschlacht verkam: Kaum ein Mezzoforte in der abgestuften Partitur, bei dem sich das Blech nicht Fortissimo vordrängte, dazu ein prätentiös vorgetragenes Violinsolo, das die kapriolenfreudige Gefährtin des Helden als übel gelaunte Matrone einherstapfen ließ. Dennoch viel Beifall. wawe

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