Dirk D'Ase: "Komponieren kann man ja nicht lernen"

Dirk DAse Komponieren kann
Dirk DAse Komponieren kann(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der flämische Komponist Dirk D'Ase erzählt über traumatische Erfahrungen in belgischen Internaten und seinen Weg als Selfmademan in internationale Opernhäuser – und ans Wiener Konservatorium.

Am 26. Jänner präsentiert der flämische Komponist Dirk D'Ase seine jüngste Oper in Wien. Seit 1981 lebt er in Wien, seit 2010 leitet er die Abteilung für Komposition und Dirigieren an der Wiener Privatuniversität Konservatorium. Aus seiner Feder stammt unter anderem eine Oper für Albert Einsteins Geburtsstadt Ulm, „Einstein – Die Spuren des Lichts“. Sie wurde 2004, zur Feier des 125.Geburtstags des Physikers, uraufgeführt. Das neuste Werk, „L'intruse“ nach Maeterlinck, erlebte im Vorjahr in Gent seine Uraufführung. Es ist seine siebente Oper. Das Genre lebt also. Dirk d'Ase beweist das mit seinem Schaffen.

Für „L'intruse“ hat ihm Stef Lernous den Text Maeterlincks zum Libretto verdichtet. Und zwar so, dass der Komponist ins Schwärmen gerät: „Ich habe noch nie erlebt, dass mich ein Libretto so richtig durch die Oper durchgetragen hätte.“ Die symbolistische Welt Maeterlincks fasziniert ihn: „Ich verstehe, dass Komponisten von Debussy bis Beat Furrer seine Stücke vertont haben. Wobei wir ja ein wenig weiter gegangen sind: Maeterlincks Werk handelt von der Hilflosigkeit des Menschen gegenüber dem Tod, meine Oper handelt von der Hilflosigkeit gegenüber dem Leben.“

Weißes und schwarzes Rauschen

Die Klangmittel, die D'Ase einsetzt, könnten sich dem Hörer unmittelbar erschließen. „Klangsymbolik ist meine Stärke“, sagt er. In „L'intruse“ setzt er das akustische Phänomen des weißen Rauschens als Symbol für die Vielfalt des Lebenstraums ein. Dann gibt es auch einen Gegenpol, das schwarze Rauschen. „Das ist eine Vibration, die man nicht hört, aber spürt. Faszinierend, alle sitzen und wissen nicht, was los ist. Im Übergang vom ersten Akt, dem Akt des Lebens, in den zweiten, den Todesakt, gleiten wir unmerklich in dieses schwarze Rauschen. Es tritt ein, nachdem im Stück der Satz fällt: ,Der Wind heult durch die Gänge, wie ein Mensch, der langsam stirbt‘ – ein Murmeln von Stimmen mündet ins schwarze Rauschen – Musik ohne Klang, sozusagen, als Todessymbol.“

Bei der Präsentation im Wiener Konservatorium am Donnerstag wird D'Ase diese Effekte auch vorstellen. Als Komponist hat er seine Prägungen nicht zuletzt durch eine Studienzeit bei Luciano Berio erhalten, die keine typische Lehrzeit war: Berio gab seinem Studenten gleich zu verstehen, „dass es klassischen Unterricht bei ihm nicht geben würde“. Doch verstand man sich exzellent. Das Komponieren an sich „kann man ja ohnehin nicht lernen“, ist der Leiter der Kompositionsklassen des Konservatoriums überzeugt – „Komponist kann man nicht werden, das muss man von Anfang an sein. Bei mir war es skurril. Ich habe als Kind angefangen, damals habe ich Orchesterklänge gehört. Ich wusste nicht, was los ist, ich hatte Angst davor. Ich war ins Internat gesteckt worden, wo es mir sehr schlecht gegangen ist. In der Nacht bin ich immer wach gelegen. Und da habe ich angefangen zu komponieren. Ich war ein Kind, konnte noch keine Noten schreiben. Aber als ich dann akzeptiert habe, dass es so ist, dass ich Musik höre, wollte ich mir diese Musik merken und habe ich sie mir so lange vorgesungen, bis ich sie auswendig konnte.“

Allein mit seinen inneren Stimmen und seiner Begabung musste D'Ase sich im Leben zurechtfinden. „Ich habe mich selbstständig gemacht und bin – ohne jede Hilfe – meinen Weg gegangen. Ab 20 musste ich Deutsch lernen. Bis dahin hatte ich nur Flämisch gesprochen. Jetzt spreche ich die Muttersprache schlecht. Für die Aufführungen von ,L'intruse‘ war ich zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder in Belgien.“ Da gab es Pressekonferenzen und die Herausforderung, wieder auf Flämisch zu parlieren. „Es ist seltsam“, sagt D'Ase, „man spricht eine Sprache, die man nicht mehr wiedererkennt, aber man kann sie sprechen. Man macht natürlich Fehler. Aber auf einmal fallen einem Wörter ein, die man Jahrzehnte nicht verwendet hat. Im Reden schöpft man da aus dem Unterbewusstsein.“

„In Wien angefangen zu leben“

Mit seiner Vergangenheit kann ihn ein solches Erlebnis nicht versöhnen: „Mit Heimkommen hat das gar nichts zu tun. Dort bin ich nicht zu Hause. Es ist mir dort nicht gut gegangen. Ich habe in Wien erst angefangen zu leben, angefangen, ein soziales Bewusstsein aufzubauen.“ Erste Opernerfahrungen durfte er aber doch in Belgien sammeln. „Philippe Boesmans hat mir empfohlen, es direkt zu probieren und mit dem Leiter der Oper von Antwerpen zu sprechen. Dieser hat mir gesagt: ,Bring mir einen Produzenten, dann machen wir deine Oper.‘“ Was so unrealistisch klang, erwies sich als durchaus machbar: „Ich hatte eine lange Zeit in Afrika verbracht und wollte eine Oper schreiben, um die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, zu verarbeiten. Ein Produzent, dem ich das erzählt hatte, biss an. Er fand das spannend, organisierte es. Und es hat geklappt.“ Antwerpen, die „Kulturhauptstadt 1993“, bestellte „Red Rubber“ als Auftragswerk.

„Vibrant, sensual, melodious“, urteilte ein New Yorker Kritiker: D'Ase sei keiner jener Komponisten, deren Musik für ein normales Publikum unzugänglich wäre. Er selbst sah das ein wenig kritischer: „Na ja, die erste Oper – wenn ich an berühmte Kollegen denke, etwa Richard Strauss mit seinem ,Guntram‘ – wird ja meist nicht wirklich gut. Ich habe meinen Erstling jedenfalls danach komplett neu komponiert, aufgrund der Erfahrungen, die ich mit den Sängern und Musikern gemacht habe. Man lernt ja bei der Arbeit.“

Auf einen Blick

In Antwerpen geboren, lebt Dirk D'Ase seit 1981 in Wien und leitet die Kompositionsabteilung des Konservatoriums.

„L'intruse“,D'Ases jüngste Oper, wird am 26.Jänner am Wiener Konservatorium vorgestellt: 1010, Johannesg. 4a, 14–16h. Eintritt frei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2012)

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