Maazel – seit einem halben Jahrhundert

Maazel ndash seit einem
Maazel ndash seit einem(c) AP (MICHELE CROSERA)
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Vor 50 Jahren debütierte der Dirigent am Pult der Philharmoniker. Gemeinsam hat man Höhen und Tiefen des Musikbusiness erlebt. Gefeiert wird im Musikverein mit Mozart, Wagner und Sibelius.

Ein halbes Jahrhundert Dirigent der Wiener Philharmoniker – das feiert man zunächst einmal mit Musik von Richard Wagner. Der von Lorin Maazel selbst arrangierte „Ring ohne Worte“ steht am kommenden Mittwoch auf dem Programm des Philharmoniker-Konzerts im Musikverein. Maazel und Wagner, das hätte auch in Wien ein längerfristiges Kapitel werden können.

Hier ist der Konjunktiv angebracht, denn es galt zwar die erste Premiere des dirigierenden Staatsoperndirektors Lorin Maazel, 1982, dem „Tannhäuser“. Doch der schied nach heftigen Angriffen und kulturpolitischen Machenschaften schon wenig später wieder aus dem Amt. Kurz vor dem Ende der zweiten und letzten Spielzeit gab es zwar noch zweimal „Die Walküre“ – ohne Szene, aber in Luxusbesetzung. Doch das war lediglich ein Aperçu zu den kulturpolitischen Intrigen, die vorangegangen waren.

Der gekappte »Ring«.
„Ich würde es hassen, einen Ring in Wien zu sehen, den ich aus dem Spielplan nehmen müsste“, hatte Maazel als designierter Opernchef in einem Interview gesagt, als sich abzeichnete, dass der Versuch seines Vorgängers (und kurioserweise auch Nachfolgers), Egon Seefehlner, eine neue „Ring“-Produktion zu lancieren, scheitern könnte: Die Inszenierung Filippo Sanjusts wurde tatsächlich nach der „Walküre“ wegen szenischer Unzulänglichkeit gestoppt.

Eine eigene „Ring“-Produktion zu planen gelang Maazel in der kurzen Zeit, die ihm blieb, natürlich nicht. Kurz nach seinem Ausscheiden aus Wien ging der Dirigent jedoch mit den Berliner Philharmonikern ins Plattenstudio und nahm seine symphonische Synthese der „Ring“-Geschichte auf – eine der meistverkauften Wagner-CDs der Aufnahmegeschichte.

Gekoppelt wird der „Ring ohne Worte“ am Mittwochabend mit Mozarts g-Moll-Symphonie (KV550). Sie stand schon bei Maazels Comeback nach dem unfreiwilligen Rückzug von 1984 auf dem Programm. Aus gutem Grund. In den Anfängen der Zusammenarbeit verzeichnet die philharmonische Chronik vor allem Auftritte im Rahmen der Salzburger Festspiele – und dort über Jahre hin fast ausschließlich reine Mozart-Programme.

Dreimal Sibelius. Im siebenten Abonnementkonzert der Philharmoniker am kommenden Wochenende dirigiert Maazel dann – und das dürfte wohl einmalig in der Orchestergeschichte sein – drei Symphonien von Jean Sibelius. Auch das ist ganz offenkundig eine Hommage an die 1960er-Jahre, an die legendären Aufnahmen sämtlicher Sibelius-Symphonien in den Sofiensälen, dem legendären Aufnahmestudio von Decca. Was damals entstand, gilt unter Kennern bis heute als die vielleicht stimmigste Interpretation des Siebener-Zyklus auf Tonträgern.

Das war der junge, dynamische Lorin Maazel, allseits bestaunt, weil er den Sprung vom Wunderkind zum ernsthaften Künstler geschafft hatte, von den Klatschspalten in die Kolumnen des Feuilletons: jüngster Dirigent in Bayreuth, 1960, jüngster Schallplattendirigent der Berliner Philharmoniker. Die beiden LPs der – heute gesuchten – „Romeo und Julia“-Box entstanden sogar noch im Mono-Zeitalter.

Die folgenden technischen Revolutionen hat Maazel an vorderster Front mitgetragen, immer wieder mit den Wiener Philharmonikern als Partner. In der kurzen Amtszeit in Wien entstand unter anderem ein Livemitschnitt der „Turandot“-Produktion, die in ihrer Klangmacht zu den überwältigendsten Eindrücken gehört, die ein Wiener Opernfreund im Haus am Ring machen konnte – was mit den Mitteln der damals noch in den Kinderschuhen steckenden Digitaltechnik auf CD nur unzureichend einzufangen war.

Wer hörend nachvollziehen möchte, was die künstlerische Partnerschaft des Dirigenten mit den Wiener Musikern erreichen konnte, dem sei angelegentlich empfohlen, die analog aufgenommene Videoversion zu studieren, die wenige Tage nach der Premiere bei der TV-Übertragung mitgeschnitten wurde. Was da zu hören ist, ist von bis heute erstaunlichem Format!

Der degagierte Maestro? Erst nach dem Bruch mit der Staatsoper konnte die Gesamtaufnahme der Mahler-Symphonien fertiggestellt werden, der man zum Teil die mangelnde Anteilnahme anhört – das gab es ja auch, oft kommentiert: den degagierten Lorin Maazel, der eine Aufführung ohne viel Animo durchtaktieren konnte...

Doch bleiben, aus der Distanz betrachtet, doch wohl eher intensive Klangerlebnisse in der Erinnerung, die zum Teil auch in den Neujahrskonzerten zu verzeichnen waren, die Maazel nach dem Ausscheiden Willi Boskovskis sieben Jahre en suite – und danach öfter als Gast geleitet – hat. Da schieden sich die Geister freilich, wie in Wien angesichts des Dreivierteltakts seit je. Die unaufgeregte Bewertung der zum Teil noch gar nicht veröffentlichten Livemitschnitte dieser Ära steht jedenfalls noch aus. Jetzt gilt es einmal, ein Jubiläum zu feiern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2012)

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