Burgtheater: Liebeszauber mit schräger Musik

(c) Dapd (Hans Punz)
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Karsten Riedel vertonte Shakespeares Sonette. Das Ensemble entzückt mit britischer Lautmalerei, die das Irrlichternde des Originals betont.

Jeder mit jedem, auf diesen kurzen Nenner könnte man Shakespeares Sonette bringen. Ihr Charme ist ihre Rätselhaftigkeit. Ein Mann schwärmt hier für einen Mann, empfiehlt ihm aber zu heiraten, denn, so wusste schon Oscar Wilde: In dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien, die eine ist, nicht zu bekommen, was man möchte, die andere ist, es zu bekommen. Daran hat sich in Zeiten sexueller Befreiung und munteren Austausches der Geschlechter kreuz und quer – homo, hetero und bi – wohl wenig geändert. Sind die Sonette autobiografisch – oder hat Shakespeare zwischen Minne und Petrarca neue Wege gesucht? Darüber streiten die Literaturexperten.

Im Burgtheater sind seit Mittwoch unter dem Titel „Fool of Love“ rund zwei Dutzend der Gedichte, lose zu einer Geschichte verknüpft, mit Musik zu erleben: Aufwendige Kleinkunst wird hier geboten, inszeniert von Michael Schachermaier und Burg-Chef Matthias Hartmann, dessen Hang zu chaplineskem Humor spürbar ist. Die Regie spielt hier aber keineswegs die Hauptrolle.

Vertont wurden die Sonette von Musiker und Schauspieler Karsten Riedel, der ihnen auch seine mächtige Stimme leiht, Klavier und Gitarre spielt. Die Osttiroler Band Franui begleitet Riedel mit einer Mischung aus Pop- und Volksmusik. Der Dichter ist in Gestalt einer greisenhaften Puppe präsent, entworfen, hergestellt und pantomimisch ausdrucksvoll geführt von Nikolaus Habjan. Die Puppe spielt allerlei Rollen, die Schauspieler sprechen dazu, auch Texte, die nicht zu den Sonetten gehören wie z.B. die Geschichte vom Herrn Sedlaczek (famos: Nicholas Ofczarek): Herr S. wollte zum Theater, daraus wurde nichts, bei einer Führung durch die Burg erleidet er einen Herzinfarkt, sein Geist soll entrückt werden, doch er weigert sich, das Burgtheater zu verlassen.

Der weiße Clowngreis ist ein Haupttreffer

Die Puppe ärgert oder freut sich über die Darbietungen der Schauspieler, sie persifliert Todesfälle von Cäsar bis Kleopatra, sie macht Miene, sich in die Musik einzumischen: Dieser weiße Clownkopf mit dem breiten Maul ist quasi die schillernde Seele der Show und ein Haupttreffer. Wie auch Franui – der Chef der Band, Andreas Schett, erzählt deren verwickelte Geschichte, teils im Dialekt, teils auf Hochdeutsch. Damit wird die größte Hürde für das Begreifen der Sonette auf leicht erfassbare Weise thematisiert: die komplexe sprachliche Struktur. So geht es hier nicht nur um Shakespeare und seine Poesie, sondern auch um vieles andere – und vor allem um das Künstlerleben.

Die Gedichte bleiben dennoch stets präsent – als Irrlicht, das sie wohl jenseits aller Erklärungsversuche bleiben. Da schillert Johannes Krisch als Udo-Lindenberg-Verschnitt, Tilo Nest stimmt wahlweise greinende oder brechtische Töne an. Dörte Lyssewski verströmt listige Ironie, wie sie schönen Wesen eigen ist, die viel versprechen und nichts halten. Wenn freilich Sunnyi Melles erscheint, leuchtet ein grelles Feuerwerk: Als bizarre Königin Elisabeth trippelt sie über die Szene, hüllt Shakespeare in einen Hauch von Marilyn – und verblüfft schließlich als außerirdischer Kahlkopf, teils grübelnd, teils auftrumpfend mit Zahlenmystik. Wer weiß, was der Dichter alles barg, verbarg, verbergen musste in seinen Versen.

Klassische Gedichte als Poptexte

Man könnte jetzt noch ein bisschen meckern über diese Luxusveranstaltung für Schließtage. Die Idee, den Bildungsauftrag zu erfüllen, in dem man Shakespeare wie Pop-Lyrics präsentiert, geht nicht ganz auf, weil sich die Jugend aus dem englischsprachigen Vortrag kaum wird zusammenreimen können, was hier angesagt ist. Aber das ist auch der Witz: Diese Aufführung geht ohne großes Nachdenken, Verständnis oder Kopfzerbrechen ins Ohr. In der zeitweisen Undeutlichkeit der Texte bildet sich der Nebel, das Geheimnis ab, das die Liebe umgibt und immer ein Teil von ihr sein wird, egal, ob sie unerfüllt oder erfüllt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2012)

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