Tenor aus dem Steaklokal rettet Mahler-Konzert

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Johan Botha sprang im letzten Moment im Musikverein für einen Kollegen ein, der einen Schwächeanfall erlitten hatte.

Er hatte soeben sein Abendessen – ein umfangreiches Steak – verzehrt, als das Telefon klingelte: Die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde rief Johan Botha um Hilfe. Tenorkollege Torsten Kerl hatte wenige Minuten vor dem geplanten Auftritt, vermutlich aufgrund einer Kolik, einen Schwächeanfall erlitten. Auf dem Programm: Mahlers „Lied von der Erde“, die vorletzte vollendete Symphonie des Komponisten, eine Folge von sechs großen Gesängen mit fernöstlichen Texten – daher der ungewöhnliche Titel.

Eine Alt- oder Baritonstimme und ein Tenor sind vorgesehen. Für den Baritonpart war diesmal Thomas Hampson engagiert. Er sollte an diesem Abend starke Nerven beweisen. Sobald Botha sein Einverständnis signalisiert hatte, buchstäblich im letzten Moment einzuspringen und sich ins Taxi zu schwingen, hob Zubin Mehta am Pult der Münchner Philharmoniker den Taktstock. Man gab zunächst die Lieder zwei und vier, die Hampson ohne Unterbrechung sang. Dann war Botha schon zugegen und absolvierte die drei für Tenor komponierten Sätze der Symphonie nacheinander. Zuletzt kam Hampson mit dem umfänglichen „Abschied“ wieder an die Reihe.

Musikfreunde, die dabei waren, bestätigen nicht nur dem „Helden des Abends“ eine atemberaubende Leistung – sondern auch den beiden vorgesehenen Künstlern, Hampson und Mehta, dank exzeptionellen improvisatorischen Künstlertums Mahlers Musik trotz allem zu ihrem Recht verholfen zu haben. Tosender Jubel zum Dank an alle, im Besonderen, versteht sich, Johan Botha. Sein Kollege Kerl ist auf dem Wege der Besserung; und die Geschichte der Gesellschaft der Musikfreunde rechtzeitig zum 200-Jahr-Jubiläum um eine Anekdote reicher. -wsz-

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2012)

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