Philippe Jordan an der Wien: Hier hat Beethoven gewohnt

Philippe Jordan Wien Hier
Philippe Jordan Wien Hier(c) AP
  • Drucken

Das „Osterklang“-Festival begann dramatisch und mit einer Verbeugung vor dem Genius Loci im Haus an der Wienzeile.

„Christus am Ölberge“? Selbst fanatische Liebhaber von „Eroica“, „Fidelio“ und „Missa solemnis“ wissen nicht unbedingt, dass Ludwig van Beethoven auch ein Oratorium für die Karwoche geschrieben hat. Angeblich ist das Werk innerhalb weniger Tage im Frühjahr 1803 entstanden, weil sich die Gelegenheit zu einer großen „Akademie“ ergab. Beethoven konnte sie sozusagen zu Hause abhalten, denn er war kurz zuvor in eine Dienstwohnung im neuen Theater an der Wienzeile gezogen. Daselbst sollte er seinen „Fidelio“ komponieren und uraufführen. Und vorab eben das geistliche Stück samt der neuen Zweiten Symphonie und dem Dritten Klavierkonzert.

Für das „Osterklang“-Festival 2012 hat man das Konzert von 1803 nachgestellt – unter Auslassung des Klavierkonzerts, aber unter Aufbietung der Philharmoniker, des fabelhaften Arnold-Schönberg-Chors und einer illustren Solistenriege mit Camilla Nylund als beinah makelloser, jedenfalls mit Leuchtkraft singender Himmelsbotin, Gerald Finley als durch seinen Herrn in die Schranken gewiesenem Haudegen von einem Simon Petrus; und mit Johan Botha, der einen im Leiden noch sieghaft tönenden Christus gibt, dem freilich die von Philippe Jordan animierten, flüsternden philharmonischen Streicher und geheimnisvoll pochenden Paukenschläge eine recht unheilvolle Stimmungskulisse schaffen.

Symphoniker-Chef für die Philharmoniker

Der designierte Symphoniker-Chefdirigent kehrt zumindest für diesen wienerischen Festspiel-Moment zum anderen Orchester zurück, das er in der Staatsoper schon des Öfteren zu dramatischen Höhenflügen angestachelt hat. Diesmal tat er es auch eingangs auf symphonischem Terrain. Beethovens lichte, scheinbar so harmlose Zweite, voll Saft und Kraft, rhythmischem Elan und doch auch poetischer Schwärmerei im Larghetto. Der Musiktheater-Mann Jordan ist auch im Konzertsaal ein Garant für spannende Dramaturgie.

Im jugendlichen Überschwang feuert er die Musikanten mit dem etwa doppelten Bewegungsaufwand an, der nötig wäre, das gebotene Ergebnis zu erzielen. Das Orchester ist derzeit ja in Geberlaune und kostet auch für den Pariser Generalmusikdirektor seine Lust am Schönklang weidlich aus. Es tönt, als bereitete es Philharmonikern ebenso viel Freude wie dem Publikum. Ein exzellenter Auftakt zur dank „Osterklang“ mittlerweile traditionsgemäß musikalisch belebten Wiener Karwoche. sin

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.