Der Hunnenkönig in der römischen Basilika

Hunnenkoenig roemischen Basilika
Hunnenkoenig roemischen Basilika(c) EPA (SIGI TISCHLER)
  • Drucken

Mit Verdis Frühwerk "Attila" lässt sich glänzend Erfolg haben. Das beweist Riccardo Muti mit seiner brillanten Darstellung nach Florenz, Mailand und New York nun auch im römischen Teatro dell'Opera.

Mascagnis „Cavalleria rusticana“, Puccinis „Tosca“, Gian Francesco Malipieros „Canossa“, Alfredo Casellas „La donna serpente“ oder Ottorino Respighis „La fiamma“ sind einige der Werke, die am seit 1880 bestehenden Römischen Opernhaus uraufgeführt wurden. Eine führende Rolle hat das Teatro dell'Opera in der seit jeher von Mailand, Florenz, Bologna dominierten italienischen Musiktheaterlandschaft nie gespielt.

Das soll sich ändern. Hoffnungen setzt man vor allem auf Riccardo Muti. Fast zwei Jahrzehnte wirkte er als Musikdirektor der Mailänder Scala, wollte anschließend keine derartige Funktion mehr übernehmen. Dem Angebot der römischen Oper, als Musikchef auf Lebenszeit tätig zu sein, vor allem für eine Hebung des Orchesterniveaus in diesem Haus zu sorgen, konnte er schließlich nicht widerstehen.

Wie schon an der Scala will sich Muti auch in der italienischen Hauptstadt auf das klassische italienische Repertoire konzentrieren, wie er mit Verdis „Nabucco“ und – in einer Übernahme der Salzburger Festspielproduktion – „Macbeth“ gezeigt hat. Mit Verdi geht es auch weiter. In der kommenden Saison wird Muti erstmals in seiner Karriere „Simone Boccanegra“, zudem vermutlich „I due Foscari“ dirigieren.

Verdi galt auch Mutis jüngstes römisches Engagement. Zu „Attila“, 1846 für das venezianische Teatro La Fenice komponiert, hat der Maestro eine besondere Affinität. In jungen Jahren dirigierte er das Werk beim Maggio Musicale Fiorentino. Später nahm er es – mit Samuel Ramey, Cheryl Studer und Neil Shicoff – für CD auf. „Attila“ dirigierte Muti – in der Regie von Jérôme Savary – auch an der Scala und feierte damit vor zwei Jahren sein umjubeltes Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera.

Ein Plädoyer für die Freiheit

Vordergründig bedient diese Oper ein mit einer Liebesgeschichte garniertes historisches Sujet. Gelesen aus der Zeit seiner Entstehung, ist dieses mit weiten melodischen Entwicklungen wie schroffen dramatischen Momenten aufwartende Werk ein packendes Plädoyer für die Freiheit vor dem Hintergrund der von den Österreichern beherrschten Italiener.

Pier Luigi Pizzi, der „Attila“ bereits in Florenz, Nimes und Ravenna inszeniert hat, kann diesem Aspekt nichts abgewinnen. Für ihn ist das Werk ein Historiendrama, die meist frontal zum Publikum agierenden Darsteller treten in historischen Kostümen auf. Bei der Bühnenarchitektur ließ sich der Regisseur von der römischen Massenzio-Basilika inspirieren, deren Bogen zum beherrschenden Bühnenbild wird. Bald kann man sich davon überzeugen, wie diese Inszenierung an einem anderen Ort wirkt: Im Sommer wird diese „Attila“-Produktion in den Caracalla-Thermen wiederaufgenommen.

Wie schon in New York brillierte Ildar Abdrazakov als stimmlich souveräner, differenziert gestaltender Titelheld. Tatjana Serjan gab die nicht minder mit vokaler Stärke aufwartende, Attila schließlich tötende aquilejische Königstochter Odabella, Giuseppe Gipale mit der geforderten Emphase ihren Liebhaber Foresto, Nicola Aleimo nach einigen Anlaufschwierigkeiten vokal untadelig den römischer Feldherrn Ezio.

Riccardo Muti an der Spitze des mittlerweile erstaunlich qualitätsvollen römischen Orchesters und des souveränen Chors zeigte mit seiner impulsiven, bis ins Detail durchdachten Interpretation einmal mehr, welche stilistische Vielfalt und Farbenpracht in diesem frühen Verdi steckt – vorausgesetzt, man versteht sie entsprechend zu wecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.