"Der Wildschütz": Possierliches Spielopernspiel

Wildschuetz Possierliches Spielopernspiel
Wildschuetz Possierliches Spielopernspiel(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Lortzings „Wildschütz“ in der Volksoper: Musikalisch überzeugend, mit Lars Woldt als hervorragendem Baculus und in einer sehr braven Inszenierung.

Ach, die „Stimme der Natur“. Ihr folgen nicht nur die Protagonisten in Albert Lortzings „Der Wildschütz“, sondern auch die Volksoper. So erinnert sie sich daran, auch die deutsche Spieloper zu pflegen. Und die Produktion, die man aus Chemnitz und Bonn übernommen hat, passt ganz proper ins aktuelle Naturell des Hauses.

Hübsche, praktikable Bühnenbilder (Dieter Richter) im Stil des Uraufführungsjahres 1842, passende Kostüme (Renate Schmitzer) und dazu eine sorgfältige Personenführung (Dietrich W. Hilsdorf, Ko-Regie: Ralf Budde). Ein Abend, der auch Oma, Opa und den Enkelkindern zumutbar ist, der das auf den ersten Blick doch recht verwirrende Libretto nett verständlich nacherzählt.

Das Vorbild zu dem vom Allrounder Lortzing selbst verfassten Libretto kam von August von Kotzebue: „Der Rehbock oder Die schuldlosen Schuldbewußten“, das Felix Mendelssohn als Kotzebues infamstes, verwerflichstes und elendstes Theaterstück bezeichnete und das bald das Etikett „Wollustspiel“ trug.

Lortzing hat die ärgsten Schlüpfrigkeiten freilich getilgt, aber dennoch den Menschen des Vormärz einen recht klaren Spiegel vorgehalten. So steht es zumindest auf dem Papier des Programmheftes, das eine große Ehrenrettung des einst ungemein populären, heute jedoch bis auf „Wildschütz“ und „Zar und Zimmermann“ weitgehend vergessenen Lortzing anstrengt.

Auf der Bühne selbst merkt man eher wenig von all dem. Selbst wenn der Titel-Antiheld Baculus, ein recht unsympathischer, opportunistischer Schulmeister, der für eine schöne Summe Geldes sogar seine Braut Gretchen zu verkaufen bereit ist, sich jubelnd als „Kapitalist“ sieht und auf die „Moneten“ freut. Lars Woldt, das darstellerische wie gesangliche Zentrum des Abends, bringt das mit seinem kernig, prächtigen Bass ganz wunderbar in der „Fünftausend Taler“-Arie, dem einzigen großen Schlager der Oper, über die Rampe.

Die falsche Braut verdreht allen den Kopf

Rund um ihn formiert die Volksoper diesmal ein Ensemble ohne größere Schwachstellen. Mit ihrem vollen Sopran reüssiert Anja-Nina Bahrmann als Schwester des Grafen, reist inkognito als Student verkleidet an, und geht dann in doppelter Hosenrolle als falsches Gretchen auf das Schloss ihres Bruders. Hier soll sie sich für Baculus einsetzen, der, nachdem er für seine Verlobungsfeier einen Rehbock im Schlosspark gewildert hat, seiner Schulmeisterstelle enthoben worden ist. Die falsche Braut verdreht sowohl dem jedem Rockzipfel nachlaufenden Grafen (Daniel Ochoa mit geschmeidigem, recht leichtem Bariton) als auch dem Bruder der Gräfin den Kopf.

Der, von Mirko Roschkowksi mit schön kultiviertem Tenor gesungen, befindet sich ebenfalls unerkannt als Stallmeister auf dem Anwesen und erhält von seiner recht steifen, ganz der Antikenmode verfallenen Schwester (passend: Alexandra Kloose) Avancen.

Verwirrungen, die sich am Ende lösen. Das echte Gretchen (Elisabeth Schwarz mit recht zartem Sopran) kommt herbei. Die Schuld an der Verlockung des Geldes und an den inzestuösen Gelüsten wird ganz einfach der „Stimme der Natur“ in die Schuhe geschoben. Schließlich stellt sich auch der vermeintlich geschossene Rehbock als Esel von Baculus heraus. Unter der Leitung des exzellenten Alfred Eschwé, der dem Orchester eine blitzsaubere Leistung abfordert und die Sänger sowie den gut disponierten Chor sicher und animiert leitet, geht somit ein auch dem Gehalt der Partitur entsprechend unverfänglicher, gemütlicher Spielopernabend über die Bühne.

Um die beschworenen Ecken und Kanten aus Lortzings „Wildschütz“ herauszukitzeln, hätte es jedoch deutlich schärferer Munition bedurft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2013)

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