Minkowski dirigierte erstmals die Philharmoniker

Minkowski dirigierte erstmals Philharmoniker
Minkowski dirigierte erstmals Philharmoniker(c) APA/NEUMAYR/MMV (NEUMAYR/MMV)
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Der Franzose sorgte für Dramatik und Verve mit kleinen Unschärfen bei Haydn und Beethoven im Konzerthaus.

Schmeichelnde Serenadenklänge, ein Duell, bei dem die Klingen in scharfen Zweiunddreißigstelläufen durch die Luft sausen und eine ihr Ziel nicht verfehlt, ein feuriger Fandango und andere Ergötzlichkeiten, dann plötzlich schaudererregendes Klopfen an der Tür, ängstliches Beben der Violinen – und schließlich umkreisen wohlbekannte Furien in wilder Erregung ihr Opfer und ziehen es hinab in die Unterwelt.

Richtig, das ist die Story von Don Giovanni, genauer: „Don Juan“, hier ein Vierteljahrhundert vor Mozart und da Ponte wortlos, weil als neuartiges Handlungsballett erzählt von Christoph Willibald Gluck – und dabei auf „Bonsai-Dimensionen“ verknappt, wie Marc Minkowski es verschmitzt ausdrückte. Vor fünf Jahren im Musikverein hatte er am Pult seiner Musiciens du Louvre den Inhalt noch während der Aufführung erklärt – nun, bei seinem Debüt bei den Wiener Philharmonikern, ließ er die Musik allein wirken: kein Nachteil. Minkowski musizierte erstmals mit den „Wienern“ – und Gluck bildete Zentrum und Höhepunkt dieser neuen, willkommenen Interpretenkombination am Samstagnachmittag im Wiener Konzerthaus, wo das Publikum in herzlichen Jubel ausbrach.

Elegance, Frische, Fluss der Musik

Der 50-jährige Franzose zählt ja zu den beliebtesten Verfechtern historischer Aufführungspraxis – vielleicht, weil ihm als flexiblem „Praktiker“ vor allem Vitalität und Fantasie am musikalischen Herzen liegen. Lebendigkeit, Frische, Dramatik, aber auch Elegance und Sinn für Humor zeichnen Minkowskis Lesarten gewöhnlich aus: Mit den in ausreichender Stärke angetretenen und somit aus dem Vollen schöpfenden Philharmonikern war das bei Haydns überaus kontrastreicher Pariser Symphonie „La Reine“ ebenso zu hören wie bei Beethovens klanglich groß inszenierter „Eroica“, bei der das Poco Andante des Finales sogar traditionell überdimensional, als monumentales Adagio mit imperialem Hörnerschall daherkam.

Die Aufführung atmete revolutionären Geist, verlor aber durch kleine Unschärfen im Zusammenspiel an energischer Schlagkraft. Auch Haydns Pointen wären mit mehr Präzision und Temposicherheit noch geschliffener zu servieren gewesen. Auf Minkowskis etwas pauschale Zeichengebung, die oft allein dem Fluss der Musik gilt, konnten sich die Philharmoniker noch nicht ausreichend einstellen: Fortsetzung erbeten(26. 5., 11 Uhr, Ö1). wawe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2013)

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