Zukerman und Mehta: Mozart wie einst im Mai

Zukerman Mehta Mozart einst
Zukerman Mehta Mozart einst(c) EPA (MARKUS SCHOLZ)
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Pinchas Zukerman, die Wiener Philharmoniker und Zubin Mehta, ein Mozart-Konzert und Mahlers Fünfte. Im großen Festspielhaus spielten die Philharmoniker frisch und unverkrampft.

Pinchas Zukerman, die Wiener Philharmoniker und Zubin Mehta, ein Mozart-Konzert und Mahlers Fünfte. Das hat es Anfang der Siebzigerjahre schon einmal gegeben. Das Remake ruft tatsächlich Erinnerungen wach, auch bei jenen Musikfreunden, die damals vielleicht nicht dabei waren. Erinnerungen an eine frische, unverkrampfte Art, Mozart zu musizieren, die uns in der jüngeren Vergangenheit kräftig vergällt wurde.

Da Solist wie Dirigent nicht dafür bekannt sind, besonders hektisch oder fanatisch oder sonst wie angespannt Musik zu machen, sondern beide unaufgeregt ihre Souveränität genüsslich zur Schau stellen, müssen sich die Philharmoniker gar nicht erst an der Sesselkante in Positur werfen. Man sitzt entspannt und macht Musik.

50 Jahre Entspannung. Das Verhältnis zwischen Mehta und diesem Orchester dauert ja nun schon ein halbes Jahrhundert. Und der Maestro hat sein Handwerk in Wien gelernt. Er hat als Stehplatzbesucher Größen wie Böhm und Karajan erlebt, hat lauschend aufgenommen, wie man in Wien an Aufgaben herangeht, die anderswo mit den Worten Ritardando, Rubato und dergleichen benannt werden, die man hierzulande aber ganz einfach als notwendige und natürliche Elemente des Musikmachens versteht. Solche, die man nicht aufschreiben kann.

Und da auch Pinchas Zukerman seinen Mozart zwischen den Zeilen zu lesen versteht, ergibt sich eine Aufführung des G-Dur-Konzerts, die als Musterbeispiel für eine natürliche, von keiner pseudowissenschaftlich zu untermauernden Originalklangattitüde angekränkelte Musizierpraxis gelten darf.

Man überlegt nicht lang, ob man am Ende des ersten Themas den Ausklang der Phrase ein wenig zurückhält. Zukerman macht das, Rainer Küchl und die hinter ihm sitzenden Primgeiger der Philharmoniker machen es auch – sie spüren intuitiv, wann der Solist in einem animierten Augenblick ein wenig mehr Atem holen wird als vielleicht gewohnt: Es muss in diesem Moment so sein.

Zwei Mozart-Zitate sind mir an diesem Vormittag eingefallen. Das eine bestätigt quasi im Vorhinein die melodisch freie Spielweise, bei der trotz aller Freiheit im Phrasieren die Begleitung nicht „aus dem Takt“ kommt. Mozart beschreibt in einem Brief an seinen Papa, wie er das am Klavier macht: Die linke bleibt fest im Metrum, die rechte nimmt sich alle improvisatorische Freizügigkeit.

Was nach des Komponisten eigener Aussage die Zeitgenossen so fasziniert hat, dürfen Musiker bis heute als Aufgabestellung betrachten: Zukerman und die Philharmoniker und, was wichtig ist, ein Dirigent, der die Harmonie zwischen Musikern und Solist nicht stört, sondern nur dort, wo es nötig ist, helfend unterstützt, waren wohl dem Ideal diesmal recht nahe.

Das zweite Zitat, apropos Primgeiger, bezieht sich auf die Besetzungsgröße, mit der die Philharmoniker im großen Salzburger Haus Mozart spielen. Acht erste Geigen – zwei Kontrabässe! Wolfgang Amadé hätte der armen Festspielleitung, die nicht imstande ist, für eine Riesenhalle mehr Musiker zusammenzutrommeln, als er einst in kleinen Räumen zur Verfügung hatte, vermutlich aus Mitleid ein Benefizkonzert musiziert . . .

Vierzig Violinen – also je zwanzig erste und zweite – haben, da war der Komponist ganz glücklich, im alten Wiener Burgtheater einst die „Linzer“ Symphonie aufrauschen lassen. Das Salzburger Festspielhaus ist weit größer als die Wiener Uraufführungsstätte des „Figaro“. Und ich will gar nicht behaupten, dass ich mir für irgendetwas 19 Kollegen hinter Rainer Küchl wünsche – nicht einmal für Mahlers Fünfte, die die Matinee diesmal in bewährter hochdramatischer Manier beschloss, so „gewusst wie“ gespielt wie der Mozart davor. Aber acht Kolleginnen und Kollegen halte ich selbst bei KV 216 für Unfug.

Pizzicato-Träume. Was für ein klangvolles Pianissimo würde die Pizzicato-Serenadenbegleitung Herrn Zukermans himmlisch gesungenem Adagio unterlegen, ein viel leiser wirkendes, als diesmal zu hören war, spielte man in adäquater Stärke – das wissen die Musiker, das weiß Zubin Mehta. Man wird aber den Teufel tun, die Festspielleitung in solche Geheimnisse einzuweihen. So viel Kotau vor der Originalklangästhetik muss wahrscheinlich gestattet sein. Das Salzburger Publikum darf seine Ohren eben akkommodieren wie die Gleichgesinnten in Bayreuth. Dort wehrt der Schalldeckel alle Klangstürme ab, wie sie diesmal bei Mahler mit Freude bejubelt wurden. Der herrliche Mozart kam wie aus dem Nebenzimmer. Aber er kam. Dafür ist man schon dankbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2013)

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