Mozart-Matinee: Wie man totes Wissen mit Leben erfüllt

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MozartMatinee totes Wissen Leben(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at
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Mozarteum-Orchester und Metzmacher: Hohe Schule der Phrasierung, von Mozart über Ives zu Strawinsky – und retour.

100 Jahre. Nur gut 100 Jahre liegen zwischen Mozarts Tod und der Hochzeit des Ragtime. Das steht in jedem Musikgeschichtsbuch, bleibt aber totes Wissen, wenn man es nicht auf so spannende Weise er-hören kann wie bei der Salzburger Mozart-Matinee am Wochenende mit Ingo Metzmacher, der am Pult des Mozarteum-Orchesters binnen Minuten zwei so weit voneinander entfernte Klangwelten aufeinanderprallen ließ, ohne dass es wie ein Gewaltakt gewirkt hätte: erst Mozarts Sechs Deutsche Tänze KV 571, dann die vier Ragtime Dances von Charles Ives.

Doch damit nicht genug, die sinnvolle Programmierung führte weiter zu Igor Strawinskys „Danses concertantes“. Drei völlig unterschiedliche kompositorische Zugänge zum Thema Tanz also: der walzbare Mozart, der potenziell beinverknotende, keinesfalls tanzbare Ives, schließlich mit Strawinsky die Sphäre der Ballettmusik. 40 Jahre später entstanden, sind seine Tänze ausgefeilter, aber braver als die anarchischen von Ives mit ihrer ausgeprägten Lust an der Dissonanz.

Was allen dreien zugutekam: die ungemein beredte Phrasierung des Orchesters. So scheinbar einfach kann gar keine Phrase bei Mozarts Deutschen sein, dass die Musiker sie nicht wie eine Kostbarkeit durch ihre Finger gleiten ließen, ohne dass es artifiziell wirkte. Mit der gleichen Natürlichkeit ging man an Strawinsky heran: Vor allem die quasi im Dauereinsatz stehenden solistischen Holzbläser leisteten hier Beachtliches, einzeln oder bei in allen Farbvarianten schillernden Kombinationen.

Intendanten gehen, die Matinee bleibt

Die gute Laune, mit der das Publikum in die Pause entlassen wurde, blieb erhalten: Man kehrte mit der Serenade KV 204 zum Namensgeber zurück, ein Stück wie ein Überraschungsei: Denn unter der Serenaden-Schokolade findet sich sozusagen ein eingelegtes Violinkonzert, bei dem Konzertmeister Frank Stadler sich als herausragender Mozart-Interpret erwies, mit genau der viel zitierten Leichtigkeit, die keinesfalls mit Beiläufigkeit oder einem energiearmen Ton verwechselt werden darf, und die so schwer zu erreichen ist. So und nicht anders möchte man Mozart hören, und das mit einem Maestro am Pult, der in Salzburg zuletzt vor allem mit Opern des 20.Jahrhunderts aufgezeigt hat.

Die Intendanten kommen und gehen, die Mozart-Matinee bleibt. Und etwas, das durch seine Serienhaftigkeit eigentlich nicht ganz der Festspielidee des Unikats entspricht, kann durch schiere Qualität doch höchst festspielwürdig sein. hd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2013)

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