Musikverein: Haydn, heiter statt heilig

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Gottlieb Wallisch weckt Vorfreude aufs Haydn-Jahr. Wallisch muss nicht kühn interpretieren, um das Abenteuer der frühen Klassik erlebbar zu machen.

Mit erstaunlich breitem Repertoire hat sich Pianist Gottlieb Wallisch längst einen sehr guten Namen gemacht. Nun kehrt er demütig zurück zu Haydn, mit dem für ihn alles begann. Er weigert sich, mehr in den Meister hineinzulegen, als aus ihm herauszuhören ist. Doch das kann, vermittelt durch einen aufmerksamen Musiker, viel sein.

Wallisch muss nicht kühn interpretieren, um das Abenteuer der frühen Klassik erlebbar zu machen: Wie da in der spröden Form das Subjektive Platz greift. Durch eine so naive wie labile Heiterkeit, die ständig ins Moll kippt. Oder durch Kantilenen in den Andante-Sätzen, die sehnsüchtig in die Frühromantik weisen. Auch wenn alles im Rahmen bleibt: Die unruhige Chromatik und rhapsodischen Abschweifungen müssen die Zeitgenossen verstört haben. Das heute nachvollziehbar zu machen, ist eine große Leistung.

Vor allem aber arbeitet Wallisch einen bockigen, zuweilen fast derben Humor heraus, mit dem Haydn gegen Konventionen rebellierte. Und er will auch die wenigen Brücken nachbauen, die spätere Epochen zu Haydn geschlagen haben: im Februar von der „Folklore“ Bartóks aus, im Juni vom Neoklassizismus Schostakowitschs. Diesmal hat er sich Debussy und Ravel vorgenommen – mit unterschiedlichem Erfolg. In Ravels Sonatine und den Menuetten spiegelt sich Haydn auf verblüffende Weise. Ein Krebsgang: Wo der Altmeister das Korsett der Form dehnt, so weit es sich geziemt, greift der Neutöner der Jahrhundertwende bewusst zur alten Form zurück, um sie mit seinen vitalen Inhalten zu füllen – grell, musikantisch, zuweilen mit spanischem Kolorit.

Weit weniger plausibel sind die Verbindungen zu Debussy. Ohne programmatisches Gerüst zerflossen bei Wallisch die „Six Epigraphes antiques“ zu Stimmungsbildern ohne Stimmung. Aus diesen diffusen Klanggemälden das Geheimnis aufleuchten zu lassen, wäre eine ganz andere Aufgabe. gau

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2008)

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