Eine katzenhaft geschmeidige Carmen an der Staatsoper

Eine katzenhaft geschmeidige Carmen
Eine katzenhaft geschmeidige Carmen(c) FABRY Clemens
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Jubel für Elena Maximova als Carmen, Maija Kovalevska als Micaëla und für die Rückkehr von Carlos Álvarez als Escamillo.

Hausdebüts von Carmen und Don José, dazu eine neue Micaëla – und nach längerer, krankheitsbedingter Pause die Staatsopern-Rückkehr von Carlos Álvarez, erstmals in Wien als Escamillo: Nach der letzten, als Neueinstudierung angekündigten „Carmen“-Serie kurz vor Ende der Ära Holender im Mai 2010, bei der nach den Absagen von Mariss Jansons, Elīna Garanča und Rolando Villazón bloß braves Repertoire mit Anna Netrebko als Staraufputz herauskam, waren die Erwartungen diesmal nicht so überzogen – und das Ergebnis wohl auch deshalb viel befriedigender. Unter der Leitung von Yves Abel zeigte sich das Staatsopernorchester über kleine Unschärfen hinweg durchaus in Geberlaune: straff, kernig, mit Esprit und rhythmischer Verve, aber auch voll lyrischer Emphase, wenn es etwa galt, die Kantilenen der Micaëla auf instrumentalen Samt zu betten, geriet die vom Chor gut unterstützte Aufführung wie aus einem Guss – mochte auch die Probenenergie nicht bis zum letzten Entr'acte vorgedrungen sein. Jedenfalls loderte im Graben deutlich mehr Feuer, als auf der Bühne zumindest zu sehen war, wo in Zeffirellis unvermindert publikumswirksamer Bilderbuchausstattung nicht nur die Kampfszenen etwas unsicher und rudimentär wirkten.


Eine Carmen abseits des gängigen Modells. Die hübsche Elena Maximova ist vom Typ her keine Femme fatale, spielt deshalb auch lieber abseits des gängigen Modells eine katzenhafte Carmen: Schon als sie in der Habanera die chromatische Melodie in gleichmäßiger Lässigkeit sich schlängeln ließ, wurde klar, dass hinter Geschmeidigkeit und vorgeschützter Langeweile ein kleines Raubtier lauert. Ihr Mezzosopran ist gut durchgebildet, zu schönen Pianophrasen fähig und wird auch nicht mit Gewalt dunkler gefärbt. Erst im letzten Akt zeigte sich bei der Ukrainerin ein Anflug von vokaler Derbheit – obwohl ihre Carmen selbst im Angesicht des Todes auf explosiv-fatalistische Töne verzichtete und Don José den Ring achselzuckend leise statt voller Furor vor die Füße warf. Dafür fiel zu diesem Zeitpunkt Thiago Arancam desto wilder über sie her, nachdem seine Darstellung bis dahin vornehmlich aus allzu konventioneller Gestik bestanden hatte. Äußerlich konnte der große, schlanke Brasilianer mit gutem Aussehen punkten, sängerisch wurde man mit seinem José aber nicht recht froh, selbst bei Abzug des vielleicht nervositätsbedingt rauen, gepressten Beginns: ein belastbarer, jedoch etwas trockener Tenor mit vielen gestemmten Tönen und wenig vokaler Schattierung. Ganz im Gegensatz zur in jeder Hinsicht aparten Lettin Maija Kovalevska, die zuletzt im Juni als Tatjana begeistert hatte: Mit ihrem hellen, klaren Sopran, der dennoch über eine breite, individuell timbrierte Mittellage verfügt, formte sie eine vokal liebreizende Micaëla fernab der üblichen Bravheit.

Und der mit Auftrittsapplaus begrüßte Carlos Álvarez? Auch für ihn wird der gefürchtete Escamillo sicher keine Paradepartie werden, doch war er klug genug, nicht mit bloßem Volumen prunken zu wollen. Stattdessen sang er mit seinem wieder intakt wirkenden Bariton das Torero-Couplet zwar etwas einförmig, aber nobel auf Linie und bot als gestandenes Mannsbild dem jugendlichen José szenisch problemlos Paroli. Die Krise scheint also überstanden – jedenfalls solange der Hunger auf dramatischere Rollen im Zaum zu halten ist. Kurzer Jubel, auch für das von Chen Reiss als Frasquita angeführte übrige Ensemble. Noch am 27.2., 1.3.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2012)

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