„Piano Concerts“: Händel am Flügel

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Wie Matthias Kischnereit die „Piano Concerts“ interpretiert.

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Händel am Klavier? Noch dazu Orgelkonzerte? Was das soll, werden sich manche Musikfreunde fragen, auch wenn sie nicht zu den Hardlinern in Sachen Originalklang gehören. Nun ist schon die Frage, was Barockmeister als „Clavier“, bezeichneten, nicht zu beantworten. Denken wir an die „Clavierübungen“ Bachs, die entstanden, als es das Instrument, das wir so nennen, noch gar nicht gab – und von denen manches Teilstück so schön klingt, wenn ein guter Pianist es auf einem Bösendorfer oder einem Steinway musiziert . . . Zu bedenken ist auch, dass die Meister jener Epoche keineswegs zimperlich waren, wenn es darum ging, Musik von einem auf ein ganz anderes Instrument zu übertragen. Nun hat sich Matthias Kischnereit entschlossen, Händels „Orgelkonzerte op. 4“ auf einem modernen Flügel zu spielen, von der Deutschen Kammerakedmie Neuss am Rhein unter Lavard Skou Larsen begleitet. Händel selbst hat seine Stücke als Intermezzi bei den legendären Oratorien-Aufführungen in Covent Garden in den 1830er-Jahren gespielt. Es wäre also nicht viel zu diskutieren, wie die Partituren, die 1734 verlegt wurden, adäquat zum Klingen zu bringen seien. Doch hat Händel selbst das sechste der Konzerte für Harfe arrangiert – und alle Soloparts nur recht kursorisch notiert, weil er davon ausging, dass jeder Solist sich seine Fassung selbst herstellen würde. Dass Pedalstimmen fehlen, erleichtert daher die Übertragung auf das moderne Klavier. Improvisatorisches ist ohnehin zwingend vorgesehen – so gelingt es dem Solisten auf der Neuaufnahme, aus den sechs Concerti prächtige Klavierkonzerte zu machen, die auch im Falle des populären „Kuckucks-Konzerts“ für ein frisches, „neues“ Klangerlebnis sorgen.

Audiophil. Dass CPO die Aufnahmen auch als Schallplatte ediert hat, freut Freunde des guten Klangs besonders. Es ist offenbar möglich, auch Digitalaufnahmen einem analogen Hörerlebnis zuzuführen: Was für die CD „heruntergerechnet“ werden muss, dient für die Vinylpressung unkomprimiert als Vorlage. Damit können auch Analog-Apostel gut leben. Die 180-Gramm-Pressungen sind vorzüglich, taugen dank technischer Unterstützung durch den Deutschlandfunk zum Retro-Lauschen, das paradoxerweise mit völlig „modernisierter“ Umsetzung der barocken Partituren einhergeht. Solche Parallelaktionen lässt man sich gefallen. Das Doppelalbum ist jedenfalls ein bemerkenswerter Neuzugang im Tonträgerkatalog. Auch weil Kirschnereit und Kammerakademie mit Verve und subtiler Klangschattierungskunst ans Werk gegangen sind.

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