Otto Klemperer: Beethoven, die Wahrheit

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Wie Klemperer 1960 die neun Symphonien interpretierte.

Die CD-Box enthält auch die „Complete Symphonies“ von Brahms.
Die CD-Box enthält auch die „Complete Symphonies“ von Brahms.(c) Beigestellt

Urheberrechtliche Fragen werden derzeit in Sachen Leistungsschutz viel diskutiert. Dass die Schutzfrist (vorderhand noch) nicht verlängert wurde, hat etwas Gutes. So wurden vor einiger Zeit die Livemitschnitte jenes Beethoven-Zyklus gemeinfrei, den Otto Klemperer mit dem Londoner Philharmonia Orchestra im Wiener Musikverein 1960 gestaltete. Jetzt liegt er auf CD legal vor. Und das sollte man gehört haben, auch wenn die technische Qualität naturgemäß nicht mit modernen Aufnahmen oder mit älteren, die im Studio produziert wurden, mithalten kann. Dazu gehört auch Klemperers eigener, bei EMI erschienener Beethoven-Zyklus mit denselben Musikern. Live musizieren sie selbstverständlich freier, was in diesem Fall wirklich auch heißt: dramatischer. Und doch bleibt die eherne Hand Klemperers spürbar. Die Tempi sind gemäßigt. Das findet man in Zeiten, in denen man versucht, Beethovens Metronomvorschriften nachzuvollziehen, so wenig stilecht wie die große Orchesterbesetzung. Doch sind vor allem im Hinblick auf die Besetzungen die Dogmen der Originalklang-Generationen zu hinterfragen. Und auch, was die Tempi betrifft, stellt man bei Klemperer nicht lange Fragen. Man höre den Beginn der „Eroica“ – schon der ungemein lebendige, geschmeidig entwickelte Anstieg des Themas aus den Celli in die hohen Streicher, dann die fließende Farbabstimmung im Wechsel zwischen Streichern und Holzbläsern sind ereignishaft dank der klangsinnlichen Modulationskunst, die freilich bei diesem Dirigenten immer im Dienst der Deutlichkeit steht, der „Wahrheit“, wie er selbst immer meinte.

„Klangerzählung“. Die architektonische Klarheit in Klemperers Interpretationen wurde bis heute von keinem Konkurrenten übertroffen. Das hat mit der Feinabstimmung der Bewegungsabläufe innerhalb eines Satzes zu tun, dessen Grundtempo dennoch auf schlafwandlerisch sichere Art gewahrt bleibt, und mit der peniblen Durchleuchtung der Instrumentation. Bei keinem Dirigenten hört man so deutlich, was die Holzbläser zu tun haben, auch in Momenten, in denen sie sonst gern im allgemeinen Forte-Tumult untergehen. Strukturelle Klarheit führt bei Klemperer zur aufregenden Dramaturgie, zur „Klangerzählung“. Dass in der Neunten auch der Tenor Fritz Wunderlichs aufleuchtet, wird Sammler zusätzlich entzücken. Ebenso, dass die Box auch einen der saubersten Brahms-Symphonienzyklen enthält, der im Studio je realisiert wurde: von Rudolf Kempe und den Münchner Philharmonikern. (Intense Media)

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