Wer kennt Dvořák?

(c) „The title page of the autograph score of Dvořák’s ninth symphony“ von Antonín Dvořák – Dvořák, Antonín: Symphony No. 9, op. 95 „From the New World“ (facsimile)
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Alle Symphonien des Meisters – eine Erkundungstour.

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Antonín Dvořák ist gewiss einer der meistgespielten Komponisten in unseren Konzertsälen. Und doch, ein Großteil seines Schaffens ist den Musikfreunden kaum bis gar nicht bekannt. Zwar ist die Neunte Symphonie, „Aus der neuen Welt“ genannt, eine der Top-Favoriten aller Orchester und Dirigenten, dicht gefolgt mittlerweile von ihrer Vorgängerin, der formal so kühnen, nach außen hin aber so jovialen G-Dur-Symphonie Nr. 8. Die Siebente, ein dunkel leuchtendes, dramatisches Epos in d-Moll, erobert mehr und mehr Terrain. Doch dass es noch sechs weitere Symphonien gibt, kann der Musikfreund nur aus der Zählung schließen.

Ein Heimspiel.
Immerhin finden sich in den Regalen akribischer Sammler zumindest zwei exzellente Gesamtaufnahmen der nummerierten Symphonien – eine unter Kubelik (auf DG), eine unter Kertesz (auf Decca). Kertesz’ Firma hat sich nun zu einem Remake entschlossen und bat die Tschechische Philharmonie unter Jiří Bělohlávek zu einem „Heimspiel“. Nun liegen die neuen Symphonien und die drei großen Konzerte (mit den Solisten Garrick Ohlsson, Frank Peter Zimmermann und Alisa Weilerstein) in schönen, klanglich wie formal runden Neueinspielungen vor. Da sind zwei frühe, in gewisser Hinsicht unausgegorene Versuche, die aber doch voll blühender melodischer Einfälle und überraschender dramaturgischer Ideen stecken. Da sind die recht „wagnerischen“ Nr. 3 (ohne Scherzo) und Nr. 4, deren Anfangstakte den raunenden Beginn von Liszts „Bergsymphonie“ widerhallen lassen – ein Klangbild, das verwandelt am Beginn des dritten Aktes der „Rusalka“ noch einmal wiederkehren wird; zu einem Zeitpunkt also, da der Symphoniker Dvořák längst schweigt, weil er sich zum Musikdramatiker berufen sieht! Dann aber blüht ab der F-Dur-Symphonie (Nr. 5) ein neuer, ungezwungener Ton auf, der verrät, dass sich da ein Komponist „freigeschrieben“ hat, dass er innerhalb der ererbten Sonaten- und Variationsstrukturen seine Geschichten zu erzählen weiß. Die werden immer fantastischer, kühner. Wer die Symphonien chronologisch durchhört, der begreift, warum Dvořáks Geist – von der Vorstellung durchdrungen, zur Oper berufen zu sein – von der klassischen Form zuletzt weg in Richtung „neudeutscher“ Programmmusik drängte. Bělohlávek und seine Musikanten sind natürlich kundige Führer auf dem Weg, die ihren böhmischen Klang (vor allem im Blech) sanft westlichen Gepflogenheiten angepasst, aber ihre weiche Phrasierungskunst nicht verlernt haben. (DECCA)

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