Beethovens späte Klaviersonaten

Beethovens spaete Klaviersonaten
Beethovens spaete Klaviersonaten(c) begestellt
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Famos geglückt: Igor Levits waghalsiges Debüt.

Die ersten Rezensenten dieses Albums fragten sich bereits, in welche Richtung sich ein Künstler, der eine so durchdachte Wiedergabe der haarigen späten Beethoven-Sonaten vorlegen kann, entwickeln soll. Tatsächlich ist Igor Levit als Twen weiter als mancher in Ehren ergraute Kollege, der mit Beethovens Rätselspielen nie auf einen grünen Zweig kommt. Fertig wird ja niemand je mit dieser Musik. Aber auf einem schönen grünen Zweig sitzt Levit schon und besitzt sogar die Souveränität für manches klangliche Balancespiel, für poetische Farbtupfer, die sich in Beethovens Spätwerk des Öfteren − auch in der fast schon schubertisch-lyrisch anhebenden A-Dur-Sonate (op. 101) − finden, und mit denen zwischen undurchdringlichem kontrapunktischem Flechtwerk kaum einer etwas anzufangen weiß. Das Flechtwerk weiß Levit jedenfalls fein säuberlich aufzudröseln. Weder kommt er durch die atemberaubenden Tempoangaben des Komponisten ins Straucheln noch durch die heikle analytische Beleuchtungsregie, mit der die einzelnen Stimmen der berüchtigten Fugen und Fugati sicht- und hörbar gemacht werden. Technische Probleme stehen offenbar so wenig zur Diskussion wie die allerschwierigste Frage nach der Konsistenz und dramaturgischen Schlüssigkeit des schier endlos langen Adagios aus op. 106. Wer das Stück hier zum ersten Mal hört, wird nicht auf die Idee kommen, es sei schwierig zu durchhören und aufzuführen. Wer aber erlebt hat, wie sich unzählige Interpreten gerade um diesen Satz zu mühen hatten, wie viele von ihnen jämmerlich scheiterten, lauscht mit offenem Mund: Levits interpretatorische Umsicht bindet die 17 Minuten zum in sich geschlossenen, natürlich fließenden Ganzen.


Con gran espressione. Levit verblüfft auch im Detail mit Lösungen, die ganz selbstverständlich, nie gesucht wirken. Dass je beim Hören Unsicherheiten über den metrischen Verlauf der Passage ab Takt 27 entstehen konnten, scheint angesichts dieser Aufnahme kaum zu glauben. Und das, obwohl sich die Oberstimme mit ihren Koloraturen über dem „Off-beat“-Bass mit der gebotenen Freiheit, wirklich, wie vorgeschrieben, „con gran espressione“ bewegt. Also: Bevor wir uns Gedanken machen, wie es mit einem solchen Pianistentalent weitergehen mag, freuen wir uns, dass dieses wagemutige CD-Debüt so famos gelungen ist. Wiener Musikfreunde konnten ihr vielleicht erstes Levit-Erlebnis im Vorjahr just mit der „Hammerklaviersonate“ machen. Nun ist die so unerklärlich perfekte Wiedergabe konserviert . . . 

Beethovens späte Klaviersonaten, gespielt von Igor Levit (Sony).

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