"Così fan tutte": Neues aus dem tristen Liebeslabor

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tutte Neues tristen Liebeslabor(c) APA/Neumayr/SB (Neumayr/SB)
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Così fan tutte, neu einstudiert von Mark Minkowski und in Claus Guths nachjustierter Inszenierung: Kein Sängerfest, aber einhelliger Jubel.

Da stehen sie nun, die vier jungen Leute – die alten Beziehungen kaputt, die neuen bedeutungslos. Ein bisschen Lust, aber letztlich nur Schmerzen: So lautet die triste Gefühlsbilanz am Ende. Gefangen im klinischen Weiß eines Liebeslabors, in welches der Wald als Ort unheimlicher Sinnlichkeit eindringt (Bühnenbild: Christian Schmidt), sind alle wie Versuchstiere den Manipulationen des schwarzen Engels Don Alfonso ausgeliefert, der mit seiner Spießgesellin Despina ein unmenschliches Experiment durchzuführen scheint – und das Ergebnis verbiegt, bis es seiner Verbitterung entspricht.


Musikalisch ganz neu.
2009 feierte Claus Guths Inszenierung von „Così fan tutte“ in Salzburg Premiere – als letztes Glied seiner Festspiel-Trilogie der Da-Ponte-Opern. In diesem Sommer stehen nun zum ersten und letzten Mal (Alexander Pereira will gar keine Wiederaufnahmen mehr ansetzen) alle drei Produktionen in Neueinstudierungen auf dem Programm.

War schon sein „Figaro“ einigen Wandlungen unterworfen, hat der Regisseur gerade die „Così“, so war da am Freitag im Haus für Mozart zu erleben, mit dem weitgehend neuen Ensemble auch szenisch merklich nachjustiert. In einer Weise, die nun auch mit der umgekrempelten musikalischen Seite besser harmoniert: Statt Adam Fischer und den Wiener Philharmonikern, deren Zusammenarbeit vor zwei Jahren auf einige Kritik stieß, realisiert nun mit federnden Gesten Mark Minkowski am Pult von Les Musiciens du Louvre/Grenoble sein bekannt schlankes, transparentes, hurtiges Mozart-Bild, das gewiss nicht mittels seiner Klangfülle, wohl aber durch manch aparte solistische Farbe der alten Instrumente und vor allem durch spielerische Verve Eindruck macht – solange sich der Trubel nicht zu verselbstständigen droht, wie im ersten Finale.

Sieht man von Francesco Corti ab, der als Continuospieler manch fürwitzige Pointe liefert (etwa ein Zitat des Brautchores aus „Lohengrin“, wenn es ans Heiraten geht), dabei aber so forsch in die Tasten greift, als gelte es nachzuweisen, dass sein Instrument zu Recht Hammerklavier heißt, kamen die stärksten Impulse des Abends fraglos nicht aus dem Graben, sondern gingen von der Bühne aus – und dort eher von prägnanten Inszenierungsideen als von den mehrheitlich braven jungen Sängern, bei denen immer wieder zu merken ist, wie verflixt schwierig Mozarts Arien sein können, die noch dazu nahezu komplett gegeben werden.

Dass Ferrandos „Ah lo veggio“ wegbleibt, ist kein wirklicher Verlust: Obwohl Alek Shrader „Un aura amorosa“ durch unreine Vokale trübt, zeigt er seine besten Momente im Lyrischen, da er ansonsten leicht in unschönes Forcieren gerät.

Viril und kernig dagegen der Guglielmo von Christopher Maltman, wenn auch seine Höhe nicht immer optimal funktionieren will. Fiordiligi wankt gerade bei „Come scoglio“ wie Schilf im Wind: ein tiefgründiger szenischer Kontrapunkt. Schade nur, dass Maria Bengtsson ihre fordernde Partie zwar höchst achtbar, aber nicht wirklich souverän meistert, während Michèle Loisier die Dorabella mit recht flackriger, oft unsauberer Tongebung ausstattet. Und die vielversprechende, gerade ins Fahrwasser des Starrummels geratende Anna Prohaska nimmt sich hoffentlich genügend Zeit, ihre Despina sängerisch nachreifen zu lassen, die auch abseits der Verkleidungsszenen unnötig viel vokalen Mummenschanz aufführt.

Amor ist in die Jahre gekommen. Einzig Bo Skovhus ist von der Ursprungsbesetzung übrig geblieben – und gibt als Alfonso wieder jene in die Jahre gekommene, desillusionierte Variante des von Guth für „Figaro“ hinzuerfundenen Amor: eine Mischung aus Nosferatu und Luzifer, die, wenn man denn so will, auch stimmlich passend grau und angestrengt klingt. Alle hat er sie am Gängelband, manipuliert sie mit Einflüsterungen, die einer Gehirnwäsche gleichkommen – eine perfide Versuchsanordnung, die in ihrer Doppelbödigkeit an das Milgram-Experiment erinnert und zudem keinerlei Ausweg lässt. Weil Liebe blind macht und ohnehin alle immer wieder wie Alfonsos Marionetten agieren, sind auch keine Masken nötig.

Einziger, aber gewichtiger Einwand gegen Guths konzise Werksicht: Wenn amouröse Verwirrungen so überdeutlich von außen hervorgerufen werden, können wir uns beruhigt zurücklehnen, müssen nicht über den Liebesteufel in uns selbst nachdenken . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2011)

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