Festspiel-Diskussion: Schafft Kunst oder Wirtschaft Identität?

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Beim Nestlé-Roundtable in Salzburg debattierten Spitzenmanager und Kulturtreibende über die Rolle der Kunst: Können Kultur und Kunst Identität schaffen oder ist doch das Wirtschaftswachstum entscheidender dafür?

Die Salzburger Festspiele seien vor 91 Jahren als Projekt gegen die Krise erdacht worden, erinnerte deren Präsidentin Helga Rabl-Stadler bei einer Diskussion im Haus für Mozart an die Gründerzeit. Europa lag nach Ende des Ersten Weltkriegs 1918 noch in Trümmern, Visionäre wie Hugo von Hofmannsthal besorgten den kulturellen Aufbau. 91 Jahre später, in satten Zeiten, stellten sich am Wochenende beim Nestlé-Roundtable Spitzenmanager und Kulturtreibende die gemeine Entscheidungsfrage, ob Kultur und Kunst Identität schaffen könnten oder ob doch das Wirtschaftswachstum entscheidender dafür sei.
Zu letzterem tendierte Kuratorin Catherine David. „Es gibt vitale Zwänge, die noch vor der Kultur kommen“, sagte die einstige Direktorin der Documenta 10, die sich dann in Berichten über ihre Erfahrungen mit Emanzipationsbestrebungen in arabischen Ländern verzettelte. Die Kunst beeinflusse die Art, wie man denke, fördere Disziplin. Sie hoffe, dass die Revolution dort siege. Die republikanische US-Politikerin Ann M. Veneman, Ex-Direktorin des Kinderhilfswerks Unicef, empfahl, lokale Kultur zum Vorteil des Fortschritts zu nutzen. Vor allem für die Kinder: „Sie sind die Zukunft dieser Welt.“

Orchestermusiker von den Straßen geholt

Peter Brabeck-Letmathe, Vorsitzender des Verwaltungsrates des multinationalen Konzerns Nestlé, leistete Widerstand gegen das Entweder-Oder. Langfristig könne man nicht materiell reich und kulturell arm sein. Seine Firma diene Menschen, nicht Regierungen, sagte er. Dazu gehöre auch die Akzeptanz verschiedener Sets an Werten. Dem stimmte auch Franz B. Humer zu, der Präsident des Verwaltungsrates des Konzerns Roche. Dort sei man als Sponsor bereit, verschiedene Kulturen zu akzeptieren. Brabeck-Letmathe lobte das Projekt Sistema, mit dem Ökonom und Musiker José Antonio Abreu in Venezuela Jugendliche von der Straße hole und durch die Ausbildung zu Orchestermusikern nicht nur Kunst, sondern auch Arbeit gebe. Ähnliche Projekte (Musikinstrumente im Tausch gegen Waffen) werden von Nestlé finanziert.
Festspielintendant Markus Hinterhäuser war trotz dieser hoffnungsvollen Unternehmungen nicht optimistisch, dass Kunst die Welt verbessere: „Nichts, was wir hier tun, kann die Situation (der ägyptischen Demonstranten, Anm.) am Tahir-Platz verbessern.“ Der Wandel werde durch Kultur höchstens indirekt gefördert. Außerdem sei unsere Gesellschaft in Europa nicht gerade offen für die Welt. Hier werde ein Abwehrkrieg gegen Flüchtlinge geführt.  norb

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