Jazzfestival Saalfelden: Arbeiterlieder im Freejazz-Gewand

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Symbolbild(c) APA (BAUER/TOURISMUSVERBAND SAALFELDE)
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Highlight des 32. Jazzfestivals in Saalfelden war die französische Formation „Das Kapital“, die in ihrem aktuellen Programm Hanns Eisler durch den Wolf drehte. Umjubelt: The Bad Plus mit Ehrengast Joshua Redman.

Das Leben ist eine Zumutung. Eine ziemlich kurze sogar. Um so wichtiger wäre permanentes Wohlergehen. Dem steht allerdings der Fluch der Arbeit gegenüber. Im schlimmsten Fall der Lohnarbeit. Exakt hier setzt die Tonkunst der französischen Gruppe Das Kapital ein. Ihr aktuelles Programm widmet sich dem Werk Hanns Eislers, der unter anderem die berüchtigte Hymne der DDR komponiert, aber sich auch gemeinsam mit Adorno zu Problemen der Filmmusik geäußert hat.
Mit unheilbarem Idealismus strebte er, Avantgardistisches in möglichst jedes Werktätigenohr zu träufeln. Er hätte die verwinkelten Freejazz-Interpretationen seiner schon etwas patinierten Lieder durch Das Kapital sicher goutiert. Mit romantischen Kleinodien wie „An den deutschen Mond“ und dem „Einheitsfrontlied“ entstand im Kongresshaus von Saalfelden sofort Behaglichkeit unter den Altachtundsechzigern, die, längst ins Kleinbürgerliche mutiert, ihre einmal erkämpften Sitzplätze mittels Taschen und Kappen für „besetzt“ erklärten. Wenn das keine Privilegien waren? Der famosen Kombo täte man aber unrecht, würde man sie strikt aus dem Blickwinkel der Ideologie betrachten. Mit viel Ironie schlingerten sie durch Eislers Œuvre, setzten auf kitschige Überhöhung und herbe Dekonstruktion. Eindrucksvoll war die zärtliche Behandlung seines (immer wieder modern werdenden) Liedes „Ohne Kapitalisten geht es besser“. Da war man dann wieder bei Hegel, der ja schon wusste, dass im Verhältnis von Herr und Knecht der Herr der Dumme ist, weil der Knecht etwas schafft, der Herr aber nicht. Bloß blöd, dass Letzterer dann den Mehrwert einsackelt. Also zurück in die Zukunft, zurück zum klassischen Arbeiterlied! Die Herren Daniel Erdmann am Tenorsaxofon, Hasse Poulsen an der Gitarre und Edward Perraud am Schlagzeug luden mit viel Freude zur Geisterbahnfahrt durch viele Jahrzehnte Arbeiterbewegung, zum Barrikadensturm in nostalgischem Sepia. Neben wilden Ausritten hörte man auch Zärtliches. Zuweilen kommt man mit Balladeskem halt näher ans Herz der Revolution . . .

Jim Black: Vom Krawall zur Ballade

Ruhig ging es auch der New Yorker Schlagzeuger Jim Black mit seinem neuen Trio an. Als Pianist hatte er den 20-jährigen Salzburger Elias Stemeseder angeheuert, zu dessen Auftritt viel Familie aus Elixhausen anreiste und der mit delikatem Anschlag und bedachtsamem Verwalten seiner überbordenden Energien beeindruckte. Black, ein sehr energetischer Trommler, hat sich in seiner Trio-Arbeit erstmals der Ballade zugewandt. Der Versuch, Melodien von den Fellen zu kratzen, ehrte den sonst notorischen Krawallmacher.
Mit entschiedenem Sadismus drehte Jessica Pavones „Army Of Strangers“ am Schlüssel zur strengen Kammer. Ihr bilderstürmerischer Ansatz brachte wenig neue Erkenntnisse, klang, als ob es darum ginge, wahllos nach allen Seiten Wunden zu schlagen. Man musste einsehen: Auch versonnen blickende Damen können ultrabrutale Töne setzen.
Zum Schluss luden die geschmackvollen Herren von The Bad Plus zum musikalischen Cocktail. Als Ehrengast brachten sie den subtilen Saxofonisten Joshua Redman mit, der mit eleganten Phrasen dem verhaltenen Opener „Love Is The Answer“ Glanz und Größe schenkte. Berühmt wurden The Bad Plus durch unkonventionelle Coverversionen alternativer Pophits. Von dieser Strategie sind sie klugerweise abgekommen. Ihr aktuelles Album „Never Stop“ lebt von der Kraft sanfter Eigenkompositionen wie „2 p. m.“ und „People Like You“.
So ging die 32. Ausgabe des Jazzfestivals Saalfelden überraschend milde zu Ende. Fazit: Subversion und Sperrigkeit dürfen zuweilen getrennt gedacht werden. Die süße Melodie ist manchmal das Hinterfotzigste.

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